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Syngenta-Gebäude mit Syngenta-Schriftzug auf dem Dach, davor ein Maisfeld.
Legende: Man befinde sich in fortgeschrittenen und intensiven Verhandlungen, heisst es bei Syngenta. Reuters

Wirtschaft Bei Syngenta findet ein Umdenken statt

Die Zeiten des Alleingangs scheinen vorbei: Der Agrarchemiekonzern Syngenta sucht unter dem Druck der Anleger Sicherheit in den Armen eines anderen Unternehmens. Was würde das für den Standort Schweiz bedeuten? Eine Einschätzung von SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann.

In letzter Zeit wird viel spekuliert über die Zukunft von Syngenta. Der internationale Agrochemiekonzern mit Sitz in Basel wird immer wieder mit Übernahmen oder Fusionen in Zusammenhang gebracht – bisher ohne konkrete Resultate. Neu spricht Verwaltungsratspräsident Michel Demaré von einem möglichen Ende des Alleingangs. «Anfang Jahr noch war dies für Syngenta vorstellbar. Doch seither hat sich die Dynamik in der Branche verändert», sagte er in einem Interview mit der Zeitung «Finanz und Wirtschaft». Syngenta müsse deshalb alle Optionen prüfen.

Klaus Ammann

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Der Historiker und Russist ist seit 2004 als Redaktor für Radio SRF tätig. Seit 2011 ist er Mitglied der Wirtschaftsredaktion von SRF.

SRF News: Bisher hatte sich Syngenta gegenüber Annäherungsversuchen immer recht abweisend verhalten. Warum also dieser Stimmungswandel?

Klaus Ammann: Bisher ist Syngenta sehr selbstbewusst aufgetreten. Nun hat man aber offenbar Angst, dass man zu spät kommen könnte, wenn andere sich zusammenschliessen. Konkret steht der Zusammenschluss der beiden grossen US-Unternehmen Dow Chemical und Dupont bevor. Der internationale Markt für Saatgut und Pestizide wird von ein paar wenigen, grossen Unternehmen dominiert, und der Konkurrenzkampf hat sich in letzter Zeit zugespitzt: Die Nahrungsmittelpreise sind tief, und die Bauern haben weniger Geld, um Saatgut und Pestizide zu kaufen. Syngenta macht zwar nach wie vor Gewinne. Aber die Aktionäre haben Angst um ihre Rendite. Deshalb sieht sich der Verwaltungsratspräsident von Syngenta zunehmend unter Druck.

Welche Optionen stehen für die Syngenta-Spitze zur Diskussion?

Grundsätzlich sagt Demaré gegenüber der «Finanz und Wirtschaft», es gebe immer noch drei Optionen: Sich jemandem zu verkaufen, sich mit jemandem zusammenzuschliessen oder selbst jemanden zu übernehmen. Letzteres ist bei der Grösse von Syngenta eher unrealistisch. Die Fragen sind immer dieselben: Passen die Geschäftsbereiche von den zwei Unternehmen zusammen? Ergänzen sie sich? Kann man zusammen eine Grösse erreichen, die es erlaubt, mit den anderen, grossen mitzuhalten? Laut dem Syngenta-Präsidenten liegen derzeit keine konkreten Kaufofferten auf dem Tisch. Aber es werde mit verschiedenen möglichen Käufern seriös verhandelt. Mit wem, wollte er nicht sagen. Unter Beobachtern ist ChemChina der aktuell heisseste Kandidat. Das chinesische Unternehmen bietet angeblich über 40 Milliarden Dollar für Syngenta. Aber auch eine Übernahme durch Monsanto, Bayer und BASF sind mögliche Optionen.

Die Aktionäre haben Angst um ihre Rendite.

Syngenta hat den Sitz in Basel. Was würde eine Übernahme für den Standort bedeuten?

Das ist je nach Option unterschiedlich, aber dieser Hauptsitz wäre gefährdet. Gewisse andere Sparten in der Schweiz auch. Heute arbeiten 3300 von fast 30'000 Syngenta-Mitarbeitern in der Schweiz. Hier wird geforscht und entwickelt, aber auch produziert. Zum Beispiel in Monthey im Wallis, wo Syngenta Herbizide, Fungizide und Insektizide herstellt und in die ganze Welt verkauft. Man geht davon aus, dass ChemChina die übernommenen Unternehmen mehr oder weniger so belässt, wie sie gewesen sind. Das würde bedeuten, dass ChemChina den Hauptsitz in Basel belassen würde. Das sind alles Spekulationen. Ein Entscheid könnte noch dieses Jahr fallen. Klar ist aber, dass so ein Zusammenschluss nicht von heute auf morgen zustandekäme. Es stellen sich komplizierte wettbewerbsrechtliche Fragen. Und natürlich müssen auch die Aktionäre auf beiden Seiten zufriedengestellt werden.

Syngenta steht immer wieder in der Kritik wegen übermässiger Marktmacht und des Drucks auf die Landwirtschaft. Diese Kritik wird jetzt wohl kaum verstummen?

Nein, damit ist nicht zu rechnen. Weltweit stören sich Nichtregierungsorganisationen an der grossen Macht der Agrochemiekonzerne. Sie kritisieren grundsätzlich, dass die industrielle Agrochemie umweltschädlicher und sogar weniger produktiv ist als die biologische Landwirtschaft von Kleinbauern. Gleichzeitig beschuldigen sie die multinationalen Konzerne, dass sie die Bauern von sich abhängig machen, indem sie zum Beispiel gentechnisch verändertes Saatgut verkaufen, welches dann immer wieder nachgekauft werden muss, und das beispielsweise nur in Kombination mit einem bestimmten Düngemittel oder einem Unkrautvertilger wächst. Die zehn grössten Agrochemiekonzerne kontrollieren mittlerweile fast 100 Prozent des weltweiten Marktes für Unkrautvertilger. Wenn es nun in dieser Branche zu Zusammenschlüssen kommt, wird diese Dominanz noch ausgeprägter und die Kritik daran noch lauter. Wenn nun Syngenta – ein Unternehmen, dass sich dem Dialog mit diesen Kritikern teilweise gestellt hat – vom Platz Schweiz verschwinden würde, würden zumindest die Schweizer NGO ihren Ansprechpartner verlieren.

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