SRF News: 4,3 Milliarden Franken will die Credit Suisse (CS) sparen. Das sind 800 Millionen mehr als CS-Chef Tidjane Thiam im Herbst ankündigte. Wieso verschärft er den Sparkurs jetzt noch weiter?
SRF-Wirtschaftsredaktorin Eveline Kobler: Thiam wurde vor allem von den unwirschen Märkten überrascht – also von den Börsenturbulenzen, vom Ölpreis, der eingebrochen ist, und von den Unsicherheiten über die Entwicklung der chinesischen Konjunktur. Das ist ein Umfeld, das für alle Banken schwierig ist. Die Credit Suisse ist momentan aber besonders verwundbar. Sie muss den teuren Konzernumbau stemmen und braucht die Erträge aus dem Bankgeschäft dringender als ihre Konkurrentinnen. Der Zeitpunkt des Umbaus hat sich als ungünstig erwiesen, deshalb hat Thiam das Sparprogramm beschleunigt. Man kann auch sagen, er will die Früchte seiner neuen Strategie rascher ernten können, als er das ursprünglich geplant hat.
Wie schlimm steht es um die CS?
Die Bank und auch ihr Chef stehen enorm unter Druck. Das zeigt der Aktienkurs, der seit Anfang Jahr um über 30 Prozent eingebrochen ist – stärker als bei der Konkurrenz. Thiam ist noch nicht einmal ein Jahr im Amt, und schon agiert er aus der Defensive. Auch Analysten und Anleger sind skeptisch, ob Thiams Plan, die Investmentbank zu verkleinern und gleichzeitig die ganze Bank zu vergrössern, aufgehen wird. Bisher bleibt der CS-Chef diesen Nachweis schuldig.
Was muss die Bank unternehmen, um wieder auf sicheren Boden zu kommen?
Das Hauptproblem der CS ist das Kapitalpolster, mit dem Banken in Krisenzeiten Verluste auffangen können. Bei der CS ist das Eigenkapitalpolster relativ dünn. Thiam will es aufstocken, indem er spart und riskante Geschäfte in der Investmentbank stoppt. Zudem verschafft er sich Kapital, beispielsweise indem er einen Teil des Schweizer Geschäfts 2017 an die Schweizer Börse bringt. Das alles braucht Zeit. Im ersten Quartal dieses Jahres wird Thiam einen Verlust ausweisen müssen. 2016 bleibt die CS also eine Grossbaustelle. Richtig greifen wird die Strategie erst 2018 – wenn alles planmässig verläuft.
Anders als die UBS war die CS nach der Finanzkrise wegen des Steuerstreits mit den USA lange gelähmt.
Im Gegensatz zur CS hat die UBS diese Probleme nicht. Was hat sie besser gemacht?
Die UBS war nach der Finanzkrise gezwungen, rasch zu agieren und die Investmentbank zu verkleinern sowie sich umzubauen. Die Credit Suisse hingegen war in dieser Zeit wegen des Steuerstreits mit den USA lange gelähmt. Wegen des ewigen Wartens auf die Busse und den Schlussstrich in dieser Affäre waren der Bank die Hände gebunden. Deshalb ist es auch erst im letzten Jahr zu einem Chefwechsel und zu einer Umstrukturierung gekommen. Das ist reichlich spät. Thiams Problem ist, dass er in einem schwierigen Bankenumfeld ein funktionierendes Geschäftsmodell finden muss. Und das ist schwierig.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovitsch.