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Passanten mit Tragtaschen.
Legende: Erst später kaufen – es könnte noch günstiger werden. Dieses Konsumverhalten kann zu einer Deflation führen. Keystone

Wirtschaft Fallende Preise – und trotzdem keine Deflation

Bis vor Kurzem hat die Schweizerische Nationalbank vor einer deflationären Preisentwicklung gewarnt. Der Index der Konsumentenpreise ist denn auch seit 2011 leicht rückläufig. Doch von einer aufkeimenden Deflation mit ihren schweren Folgen für eine Volkswirtschaft ist die Schweiz weit entfernt.

Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS) sind zunächst eindeutig: Seit 2011 ist der Index der Konsumentenpreise von 100 auf 97,9 Punkte leicht zurückgegangen. Ein allgemeines Preisniveau, das über einen längeren Zeitraum sinkt – Indiz für eine aufziehende Deflation? Zumal die Schweizerische Nationalbank regelmässig vor einer deflationären Entwicklung gewarnt hat.

Währungsschock und Direktimporte

Und bei einzelnen Gütergruppen lässt sich zwischen 2011 bis 2015 tatsächlich auch ein massiver Preiszerfall beobachten: Beispiel Autogewerbe. Die Neuwagenpreise brachen im Schnitt um rund 20 Prozent ein, diejenigen für Occasionen sogar um 27 Prozent. Im Warenkorb, den das BfS zur Berechnung des Konsumentenpreisindexes verwendet, werden Neuwagen und Occasionen mit über 7 Prozent gewichtet. Das ist viel.

Die Ursache der sinkenden Preise sieht Autohändler Roger Kunz aus dem aargauischen Wohlen vor allem währungsbedingt und wegen eines allgemeinen wirtschaftlichen Drucks, dem seine Branche ausgesetzt ist – nicht aufgrund von Deflation. «Die Währung hat massiv abgeschlagen und der Direkt- und Parallel-Import wirkte auf die Generalimporteure disziplinierend, so dass sie Währungsgewinne zumindest teilweise an die Konsumenten weitergegeben haben», sagt der Direktimporteur gegenüber dem Wirtschaftsmagazin «ECO».

Stabile Verkaufszahlen

Gegen eine deflationäre Entwicklung spricht auch, dass die Anzahl verkaufter Neuwagen über die Zeit bei jährlich rund 300‘000 Stück stabil geblieben ist. Nicht zuletzt dank des Bevölkerungswachstums: Die Einwanderung habe dem Automobilhandel geholfen und den Markt mit Sicherheit gestützt, sagt Roger Kunz.

Denn in einer Deflation schieben Konsumenten – so die ökonomische Theorie – in der Hoffnung auf weiter sinkende Preise ihre Ausgaben in die Zukunft. Die Unternehmen verlieren immer mehr Umsatz, müssen Angestellte entlassen, die dann aufgrund ihres knapperen Budgets erneut weniger konsumieren. Diese Negativ-Spirale setzt sich fort und bringt eine Volkswirtschaft in ernsthafte Schieflage. Das ist in der Realität nicht passiert.

7-Jahres-Zyklus

Zu einem ähnlichen Befund kommt Jonas Stoll, Ökonom am Konjunkturforschungsinstitut BAK Basel. Er geht in der Schweizer Automobilbranche von einem 7-Jahres-Zyklus aus, der vom Wirtschaftswachstum und von der Haltedauer der Neuwagen abhängt: «Man hat Phasen, in denen verstärkt neu Autos gekauft werden.» 2010 habe eine solche begonnen, die sich durch den Preiszerfall verstärkt habe. Dieser Zyklus komme, so Stoll, nun zu einem Ende. Für die Autopreise von Neuwagen sieht er 2016 das Tief erreicht, bei den Occasionen im nächsten Jahr.

Ein markanter Preiszerfall ist seit 2011 auch bei Gütern der Büro- und Unterhaltungselektronik zu beobachten. Er fällt sogar noch stärker aus als im Autohandel. Doch auch in diesem Fall nicht wegen eines deflationären Trends, sondern weil die Geräte und Apparaturen dank des technischen Fortschritts einfach billiger geworden sind.

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