SRF: Frauen verdienen im Schnitt 19 Prozent weniger als Männer. Liegt dies wirklich «massgeblich an der inneren Einstellung der Frauen», wie Arbeitgeber-Präsident Roland Müller sagt?
Gudrun Sander: Teilweise ja. Viele Frauen machen sich zu wenig Gedanken über ihr berufliches Fortkommen und ihre Karriere.
Die Frauen wollen also gar nicht Karriere machen?
Es geht nicht darum, dass sie das nicht wollen. Es wird gesellschaftlich von den Frauen erwartet, dass sie einen Grossteil der Erziehungs- und Hausarbeit leisten. Sie machen in diesem Bereich also viel grössere Anstrengungen als die Männer.
Es gibt aber auch Studien, die belegen, dass die Frauen schon beim Berufseinstieg viel weniger verdienen als die Männer...
Genau – und hier sind wir bei jenem Teil der Unternehmungen, die ihre Einstellung gegenüber den Frauen ändern müssten. Es geht um flexiblere Karrieremöglichkeiten oder lebensphasengerechtes Arbeiten. Wenn Unternehmen davon ausgehen würden, dass sowohl Männer wie Frauen Betreuungsverpflichtungen haben, dann würde die Arbeit anders organisiert und es würde eine andere Art von Unternehmenskultur entstehen.
Es spielen also sowohl die Einstellung der Frauen wie auch jene der Firmen eine Rolle. Welche wiegt schwerer?
Laut einer relativ neuen McKinsey-Studie wiegt die Unternehmenskultur schwerer als die Einstellung der Frauen. Wenn die Firmenkulturen flexible Karrieren mit Aufstiegsmöglichkeiten zulassen und dies den Frauen auch zutrauen, dann funktioniert es. Fehlt diese Kultur, nützt die Einstellung der einzelnen Frau nicht sehr viel.
Trotzdem: Was können Frauen tun, um ihre innere Einstellung zu ändern?
Sie sollten gleichzeitig an ihre Familien denken, aber auch an ihr berufliches Fortkommen. Dabei müssen sie hartnäckig sein, den Partner in die Pflicht nehmen und bei den Firmen mehr Flexibilität einfordern.
Das Interview führte Anna Lemmenmeier