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Wirtschaft Geldpolitik der USA hält Schwellenländer in Atem

Der Haushaltsstreit und das angekündigte Ende des billigen Geldes sorgen nicht nur in den USA für Zukunftsängste. Länder wie China, Brasilien oder die Türkei fürchten mit in den Strudel gerissen zu werden. Die Mittel das zu verhindern sind begrenzt, aber es gibt sie.

Naoyuki Shinohara kennt sich aus mit Finanzkrisen. Der Japaner ist seit vielen Jahren Manager beim Internationalen Währungsfonds. Und auch jetzt ist Shinohara alarmiert.

Die Kapitalflucht, die viele Schwellenländer in den vergangenen Monaten erlebten, sei eine Art Mini-Stresstest für das, was noch kommen werde, sagte Shinohara am Rande des IWF-Jahrestreffens in Washington. Und er meint damit: den Ausstieg der USA aus der expansiven Geldpolitik.

Mitglieder des Internationalen Währungsfonds diskutieren über Probleme.
Legende: Mitglieder des Internationalen Währungsfonds diskutieren über Probleme. Keystone

Zwischen Mai und Ende August verlor der Schwellenländer-Index MSCI mehr als zehn Prozent an Wert. Wegen der Aussicht auf höhere Zinsen in den USA zogen Investoren blitzschnell Kapital aus den Schwellenländern ab. In den USA konnten sie nun höhere Renditen erwarten – und das bei geringerem Risiko als in Schwellenländern.

Als Folge des Kapitalabzugs verloren die Währungen in Ländern Brasilien, Indien und der Türkei massiv an Wert. Allein bei der indischen Rupie waren es zwischen Mai und Ende August 15 Prozent. Dadurch verteuern sich die Einfuhren: Maschinen, Computer oder Nahrungsmittel aus dem Ausland kosten plötzlich mehr. Und die Inflation steigt.

Das Ende kommt

Auch wenn US-Notenbankchef Bernanke im September klargestellt hat, dass er den Geldhahn vorerst noch offen halten will: Den Schwellenländern ist klar, dass sie nur eine Verschnaufpause bekommen haben. Das dicke Ende kommt bestimmt.

Nach einer Schätzung des internationalen Bankenverbandes IIF werden allein in diesem Jahr 150 Milliarden Dollar weniger privates Kapital in Schwellenländer fliessen. Sollte die US-Notenbank den Geldhahn zudrehen, was schon ab Dezember der Fall sein könnte, werde es noch deutlich weniger. Das dürfte das Wachstum in den ohnehin schwächelnden Schwellenländern weiter bremsen.

Eines sei schon jetzt klar, sagte Krisenprophet Roubini: Die Party in den aufstrebenden Volkswirtschaften wie China, Brasilien, Türkei, Südafrika, also die Zeit des ungestümen Wachstums, sei vorbei. Das liegt zwar auch an sinkenden Rohstoffpreisen und der ohnehin flauen Weltwirtschaft. Aber wird verstärkt durch die schwankenden Kapitalströme.

Begrenzte Möglichkeiten der Schwellenländer

Länder wie Indien oder Brasilien wehren sich zwar mit Kapitalverkehrskontrollen und Einfuhrbeschränkungen gegen den Währungszerfall. Aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Letztlich sind sie abhängig von der US-Geldpolitik.

Schon werden Erinnerungen an die Mexiko-Krise Anfang der 80er oder die Asien-Krise Ende der 90er Jahre wach. Doch die meisten Ökonomen, darunter auch Krisenprophet Roubini, sehen Schwellenländer heute besser gewappnet:

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Viele Länder hätten die guten Zeiten genutzt, um dickere Währungspolster anzulegen. Diese Polster könnten sie in der Krise nutzen, um den Kurs der eigenen Währung zu verteidigen. Ausserdem hätten sie – im Gegensatz zu vielen Ländern damals – ihre Währung nicht mehr an den Dollar gekoppelt. Sie könnten deshalb flexibler reagieren.

Ob die Krise in den Schwellenländern eskaliert, werde entscheidend davon abhängen, wie schnell die US-Notenbank den Geldhahn zudrehe, sagt Jose Vinals, der Chef der Kapitalmarktabteilung beim IWF.

Die grosse Frage: Wird es ein sanfter Ausstieg oder ein holpriger? Noch kann diese Frage niemand beantworten.

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