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Wirtschaft Günstiger geht nicht – die Schweiz muss besser werden

Schweiz Tourismus will mit mehr Bundesgeld das Marketing verstärken, um den Einbruch bei den ausländischen Touristen infolge der Frankenstärke abzufedern. Verbandsdirektor Schmid erklärt im Interview, wie er in den nächsten vier Jahren die 270 Millionen Franken einsetzen will.

SRF: Schweiz Tourismus fordert 270 Mio. Fr. für Tourismuswerbung in den kommenden vier Jahren, der Bundesrat budgetierte bislang 220 Mio. Franken. Wozu braucht Schweiz Tourismus die zusätzlichen 50 Mio. Franken?

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Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus: Zunächst wollen wir den Heimmarkt stabilisieren. Die Schweizer Gäste haben einen entscheidenden Einfluss, wie stark die Krise infolge der Frankenstärke den Schweizer Tourismus trifft. Zudem wollen wir neue, ferne Märkte erschliessen und so die Abhängigkeit vom Euro reduzieren. Es ist klar, dass wir Gäste aus Europa verlieren werden, wir wollen aber versuchen, dass es möglichst wenige sind.

Halbnackte Chinesen stehen im Schnee auf dem Titlis und lassen sich fotografieren.
Legende: Unter anderem sollen Gäste aus Asien die Lücke füllen, die ausbleibende Europäer hinterlassen. Keystone

Wen wollen Sie mit den neuen Marketingkampagnen ansprechen?

Chancen sehen wir in Asien, aber auch in den USA, wo derzeit eine gute Konsumentenstimmung herrscht. Die Herausforderung liegt aber vor allem im Euroraum. Hier müssen wir Gäste suchen und Gästesegmente erschliessen, welche sich die Schweiz leisten können und wollen. Das ist unser Krisenbeitrag.

Sie wollen weniger preissensitive Deutsche in die Schweiz holen. Wieso entdecken Sie dieses Kundensegment erst jetzt?

Jürg Schmid

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Jürg Schmid ist seit dem Jahr 2000 Direktor von Schweiz Tourismus (ST). Ende 2009 wechselte er zur SBB als Leiter Personenverkehr. Allerdings verliess er diesen Posten noch in der Probezeit und kehrte als Direktor zu ST zurück. Schmid ist studierter Betriebsökonom.

Deutschland ist – zusammen mit den Niederlanden – der preissensitivste Markt in Europa. Hier wollen wir jene Gäste halten, die schon bisher in der Schweiz Ferien gemacht haben. Wir müssen uns nichts vormachen: Zulegen können wir in Deutschland derzeit nicht. Wir müssen feststellen, dass wir den Mittelstand immer weniger ansprechen können. Wir müssen unsere Strategie immer mehr in die oberen Einkommensklassen verlagern.

Mit welchen Massnahmen soll das konkret passieren?

Je preissensitiver der Markt ist, umso differenzierter muss das Angebot sein. Qualität wollen alle. Aber wir müssen jene Produkte in den Vordergrund stellen, die ganz speziell Schweiz-spezifisch sind: Die schöne Bergwelt, die Bahnpanorama-Fahrten oder unsere Naturpärke. Wir müssen die Schweizer Einzigartigkeiten propagieren, denn solche hat sie.

Nun wollen Sie für die Jahre 2016 bis 2019 einen Betrag in Höhe von 270 Mio. Franken vom Bund. Der Bundesrat seinerseits schlägt eine Summe von 220 Mio. Fr. vor. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, dass das Parlament Ihnen die 270 Millionen auch tatsächlich gewährt?

Ich glaube, das Parlament ist sich bewusst, dass der Tourismus stärker als jede andere Branche vom starken Franken betroffen ist. Deshalb glaube ich, das Parlament hat für unser Anliegen Verständnis. Ausserdem erachten wir es als unsere Pflicht, dem Parlament aufzuzeigen, wo wir die Krisenfolgen lindern können.

Sie sagen also: Mit Marketing kann man einen Teil des Währungsschocks abdämpfen?

Einen Teil. Aber wirklich nur einen Teil.

Der Bundesrat will die Budgets für die regionale Entwicklung erhöhen, bei Ihnen aber nicht mehr Geld ausgeben. Wie interpretieren Sie die Vorlage des Bundesrats?

Zunächst: Die Tatsache, dass der Bundesrat einen Betrag von 220 Mio. Fr. für Schweiz Tourismus vorschlägt, ist ein Vertrauensbeweis. Darüber sind wir sehr froh. Doch wir wollen aufzeigen, dass wir mit mehr Mitteln mehr abdämpfen könnten. Die regionale Entwicklung ist sicher sinnvoll. Wir müssen am Produkt arbeiten, denn wir können nicht günstiger werden, deshalb müssen wir besser werden. Allerdings wirken regionale Entwicklung und Innovationsförderung selten kurzfristig. Das sind längerfristige Projekte. Wir brauchen aber auch Massnahmen, welche die guten Strukturen kurzfristig über die Runden kommen lassen.

Das Interview führte Samuel Emch.

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