Sie jonglieren mit Millionen, reisen rund um die Welt, haben Tausende von Angestellte – und Kinder. Solche Lebenskurven sind bei Frauen in der Schweiz immer noch selten.
Kinder zu haben heisst häufig Teilzeit arbeiten – und mit Teilzeit kommt man landläufig nicht sehr weit. Das gilt nicht für Julie Fitzgerald. Sie hat Töchter, Teilzeit und einen Topjob. Als knapp 30-Jährige hat sich die Ingeneurin bereits zur Partnerin beim weltgrössten Wirtschaftsprüfer PWC hoch gearbeitet. Aber erst nach vier Geburten und Auszeiten kommt der grosse Aufstieg: Sie erklimmt mit 46 Jahren die Schweizer Geschäftsleitung und ist ab sofort mitverantwortlich für 2700 Angestellte.
Mittwochs ist Julie Fitzgerald aber nach wie vor keine Top-Managerin, sondern Mutter. Und bändigt jeweils eine Kinderschar im Alter von 12, 10, 8 und 6 Jahren. Für Julie Fitzgerald – selbst jüngstes Mädchen einer sechsköpfigen Familie – ist klar, was im Leben an erster Stelle steht: «Meine Kinder sind das Allerwichtigste und Grösste. Ich bin sehr gern mit ihnen zusammen. Es ist die beste Aufgabe der Welt.» Einen «Rabenmutter-Komplex» kennt Julie Fitzgerald nicht.
Freiwilliges Umdenken gescheitert
Aufgewachsen ist Julie Fitzgerald im Südwesten Englands, in einer Männer-Welt, auf den Baustellen ihres Vaters, der sie immer angespornt hat. Männerlastig ist ihre Welt noch immer. Denn Chefinnen sind in der Welt der grossen Zahlen besonders rar. Julie Fitzgerald gehört in der Schweizer Finanzbranche zu den nur gerade sechs Prozent Frauen an den Schalthebeln der Macht. Das ist ihr nach 30 Jahren Frauenförderung zu wenig. Was sei nicht alles unternommen worden: Diversity-Programme, Mentoring, Konzernkrippen und Netzwerke. Das sei viel Aufwand, aber wenig Ertrag. So ist das freiwillige Umdenken der Gesellschaft für Julie Fitzgerald gescheitert.
Deshalb sind für die Chefin, die sich ohne Quote hoch gekämpft hat, nun auch unpopuläre Mittel recht: «Was hat sich denn in den letzten Jahren bewegt in der Schweiz? Sehr wenig. Deswegen ist für mich die Frauen-Quote mittlerweile die Lösung. Ansonsten ist die Bewegung schlicht viel zu langsam.» Die ehemalige Quoten-Gegnerin kämpft nicht zuletzt für ihre drei Töchter: «Ich will, dass es für meine Töchter und andere Frauen in Zukunft einfacher wird. Deswegen setze ich mich ein. Ich will Frauen helfen, sich weiter zu entwickeln. Ich bin nicht eine Frau, die sagt: Jede soll kämpfen müssen, wie ich das musste.»
Mutter der Managerinnen von Morgen
Jüngste Studien rechnen aus, dass der Weg zur Gleichstellung noch lang ist. «Bis die Kontrollgremien der Konzerne gleichwertig von Frauen und Männern besetzt sind, soll es rein rechnerisch noch 56 Jahre dauern», bemerkt Julie Fitzgerald. Sie hat keine Zeit, so lange zu warten. Und das Argument der fehlenden qualifizierten Frauen lässt sie nicht gelten.
Sie hat vor einem Jahr selber das Netzwerk «WATT» gegründet. Es steht für «Women at The Top». In diesem Elite-Netzwerk haben sich 20 der einflussreichsten Managerinnen der Schweiz zusammengeschlossen. Im Gegensatz zu anderen Frauen-Netzwerken unterstützen auch Konzerne ihr Netzwerk aktiv. Bereits 40 Grossfirmen hat sie auf ihrer Seite. Mit «WATT» will sie nichts Geringeres erreichen als die weibliche Eroberung der Schweizer Chefbüros.