SRF News: Was ist bei den Reedereien derzeit die grösste Herausforderung?
Jan Hoffmann: Die Nachfrage ist niedriger als erwartet. Alle Prognosen waren optimistischer. Die Reeder haben Schiffe geplant, bestellt und gebaut weil sie eine höhere Nachfrage erwarteten. Auf der Angebotsseite will jeder Reeder seine Kosten minimieren und investiert darum in neue, grössere Schiffe. Das führt dazu, dass die Reeder ihre Dienstleistungen zu immer niedrigeren Preisen anzubieten bereit sind. Die niedrigen Frachtraten kann man über einen kurzen Zeitraum schon halten, aber über einen längeren Zeitpunkt geht das nicht.
Das heisst, es war eine Frage der Zeit, bis eine der grossen Reedereien aufgeben würde?
Im Nachhinein sind wir alle klüger. Bis vor Hanjin hat es keine so grossen Insolvenzen gegeben. Bis jetzt haben die Unternehmen jeweils fusioniert.
Stimmt es nicht, dass aufgrund der Globalisierung die Frachtmenge stetig grösser wird?
Das Wachstum ist nach wie vor positiv, es ist aber nicht so hoch wie vor der Wirtschaftskrise. Der Koeffizient, der das Verhältnis von Handel und Wirtschaftswachstum beschreibt, ist offenbar gesunken. Wer nun eine Investition aufgrund der alten Koeffizienten tätigt, der liegt völlig falsch.
Nun scheint diese Blase geplatzt zu sein, was sind die Konsequenzen für die Branche?
Die sind sehr vielschichtig. Kurzfristig bedeutet sie Probleme für die Seeleute auf See und für die Importeure und Exporteure, die ihre Waren vor den Häfen haben. Da ist das Interesse aller Marktteilnehmer, dass die Kosten nicht zu hoch werden und dass man Geduld zeigt und dass das Problem möglichst schnell gelöst wird. Hanschin ist ja auch Betreiberin von Häfen. Das Unternehmen besitzt eigene Schiffe, aber auch Schiffe, die ihm gar nicht gehören.
Das Wachstum ist nach wie vor positiv, es ist aber nicht so hoch wie vor der Wirtschaftskrise.
Mittelfristig wäre es gut, wenn mehr Kapazität verschrottet würde. Der Treibstoffpreis ist immer noch niedrig. Doch langfristig gibt es zu viele Schiffe, es muss weniger investiert werden. Irgendwann wird ein Plateau in der Schiffsgrösse erreicht sein. Es lohnt sich dann nicht weiter, auch bei niedrigen Frachtraten zu expandieren. Vielleicht ist dieser Punkt bereits erreicht, vielleicht haben die Banken, Charterer und Reeder dank Hanjin begriffen, dass es so nicht weitergehen konnte.
Sie beobachten diese Branche schon lange. Seit wann gibt es denn diese Schwierigkeiten?
Im Prinzip hat es das Zyklische schon immer gegeben. So ein Schifffahrtzyklus dauert zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Aber seit 2008 oder 2009, seit der Wirtschaftskrise, wächst die Nachfrage weniger stark als prognostiziert. Seit dieser Zeit hat sich die Grösse der Schiffe verdoppelt. Die Kosten für diese grossen Schiffe machen ja nicht nur der Schifffahrt Probleme. Auch die Häfen, Inland- und Eisenbahnverbindungen sind betroffen. Alle haben höhere Kosten, weil sie mit grösseren Schiffen fertig werden müssen.
Das Gespräch wurde von Stefan Kohler geführt.