Eine bezahlbare Mietwohnung zu finden, ist mancherorts fast unmöglich geworden. Und das Problem dürfte sich noch weiter verschärfen. Denn während die Bevölkerung wächst, sinkt die Zahl der Bewilligungen für neue Mietwohnungen schon seit Jahren. 2022 wurden laut dem Immobilienberater Wüest Partner 42'200 Wohneinheiten bewilligt – das ist der niedrigste Wert seit 2003.
Bis im Jahr 2026 könnten deshalb mehr als 50'000 Mietwohnungen fehlen. «Wir bewegen uns auf eine Wohnungsknappheit zu», sagt Martin Tschirren, Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO), im «Eco Talk».
Allein bei uns in der Firma sind aktuell 2000 Wohnungen durch Einsprachen blockiert.
Ein Grund für die schrumpfende Zahl der Bewilligungen: Einsprachen gegen Bauvorhaben aus der Bevölkerung. Sie bremsen Projekte aus, führen zu mehr Auflagen und verlängern so die Bewilligungsdauer. In der Schweiz verstreichen zwischen Baugesuch und -bewilligung im Schnitt 140 Tage, wie die Zürcher Kantonalbank berechnet hat . Tendenz steigend: Seit 2010 habe die Bewilligungsdauer um 70 Prozent zugenommen, so die ZKB. Einen besonders langen Atem braucht es in urbanen Zentren: Im Kanton Zürich müssen sich die Bauwilligen im Schnitt 170 Tage lang gedulden. In der Stadt Zürich dauert es vom Baugesuch bis zur Baufreigabe 330 Tage.
Was das bedeutet, weiss Rebecca Kull, Mitinhaberin und Co-Geschäftsführerin der Baufirma HRS. HRS setzt Bauprojekte für private und institutionelle Investoren um. «Allein bei uns in der Firma sind aktuell 2000 Wohnungen durch Einsprachen blockiert», sagt Kull im «Eco Talk». «Unseren Mitbewerbern und Kunden geht es nicht besser.»
Bundesrat soll Gebühr prüfen
Laut einem Urteil des Bundesgerichts dürfen den Einsprechern gegen Bauprojekte grundsätzlich keine Kosten auferlegt werden. Dagegen regt sich nun politischer Widerstand. Derzeit werden zwei Vorstösse zum Thema in den Räten behandelt. «Die Einsprachemöglichkeit wird oft als Mittel genutzt, um rechtskonforme, aber unliebsame Bauprojekte ohne Kostenrisiko möglichst lange zu verzögern», schreibt der Nationalrat Leo Müller (Die Mitte) in einem Postulat . Die Kantone sollten deshalb wieder die Möglichkeit erhalten, erfolglose Einsprachen mit einer Gebühr zu belegen. An der Sondersession zur Wohnungsnot vom September hat der Bundesrat den Auftrag bekommen, eine solche Gebühr zu prüfen.
Die Hürden für berechtigte Einsprachen dürfen nicht zu hoch werden.
«Eine Gebühr könnte die Zahl der chancenlosen Einsprachen, die eine reine Verzögerung der Projekte zum Ziel haben, tatsächlich reduzieren», sagt BWO-Direktor Martin Tschirren. Die grosse Frage laute nun, wie hoch die Gebühr angesetzt werden sollte. Einerseits müsse sie hoch genug sein, damit sie Wirkung zeigt. Andererseits aber dürfe sie das verfassungsmässige Recht auf Einsprache nicht tangieren: «Die Hürden für berechtigte Einsprachen dürfen nicht zu hoch werden», so Tschirren.
Bauunternehmerin Rebecca Kull ist hingegen skeptisch, ob eine Gebühr allein zu einer Beschleunigung der Projekte führt. «Einsprachen werden teilweise bis vor Bundesgericht gezogen, um ein Projekt um mehrere Jahre zu verlangsamen», sagt Kull. Sie fordert deshalb, dass auch der Weg von der ersten Instanz zum Bundesgericht verkürzt wird.