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World Economic Forum WEF: Wie können Hunderte Privatjets nachhaltig sein?

Das World Economic Forum nennt sich klimaneutral. Klingt gut, wären da nicht die anreisenden Gäste aus aller Welt.

100 Prozent Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge, 100 Prozent LED-Beleuchtung, 91 Prozent saisonales Essen – das Weltwirtschaftsforum präsentiert sich auf seiner Website als klimaneutrale Veranstaltung.

Tatsächlich chauffieren in diesem Jahr viele Elektro- und Hybrid-Autos die VIPS von Zürich oder Altenrhein zum Kongresszentrum in Davos. Ein Anbieter ist mit einer gesamten Ladeinfrastruktur nach Davos gekommen.

Autoflotte
Legende: 200 Elektro- und Hybrid-Autos sind in Davos im Einsatz, um die Gäste zu den Veranstaltungen zu bringen. SRF

«Ich finde Elektro-Autos fast angenehmer», sagt Chauffeur Adrian Paris. «Auch die Gäste merken die Ruhe von diesem Auto.» Die Reichweite sei deutlich besser als bei früheren Elektro-Modellen. «Wir können ohne Nachladen zum Flughafen fahren und zurück.»

Trotz Werbung auf der Website fahren aber noch allerlei Diesel- und Benzin-Fahrzeuge die Gäste von A nach B. Nur die Autos, bei denen der Tourismusverband Davos/Klosters seine Finger im Spiel hat, sollen «grün» wirken.

Die Tourismusdestination hat auch ein Parkleitsystem eingerichtet, damit die Suche nach einem Parkplatz während der Veranstaltung nicht zu lange dauert. Es funktioniert über das Handy.

Bei den Chauffeuren scheint diese Neuerung noch nicht angekommen zu sein. Keiner der von SRF Befragten kennt oder nutzt es.

Davos als erster klimaneutraler Ferienort der Schweiz

Davos will bis 2030 klimaneutral werden, als erster Ferienort der Schweiz. Dazu hat die Gemeinde einen Klimafonds eingerichtet, den touristische Anbieter, das Gewerbe und Gäste speisen sollen.

Im Moment liegt der Gemeinde-Beitrag bei 250'000 Franken. Hinzu kommen 30 Betriebe, die sich angeschlossen haben. Aus diesem Fonds sollen lokale Projekte unterstützt werden, die CO2-Emissionen reduzieren.

Es ist keine Frage, dass das World Economic Forum als Veranstaltung mit internationaler Ausstrahlung auf dieser Welle mitreiten muss.

Die Stadt Davos bewilligt am WEF etwa für die provisorischen Bauten keine Heizungen mehr, welche mit fossiler Energie betrieben werden. Holz-Pellet-Heizungen sind allerorts vor den Zelten zu sehen.

Ein weiteres Thema: Foodwaste vermeiden. Mit dem Projekt «4Reasons» will Pfarrer Stefan Pfister dagegen ankämpfen. Er lässt nicht serviertes Essen abholen und bietet es im Langlaufzentrum an. Dort kann sich verpflegen, wer möchte. Eine Bezahlung ist freiwillig.

Menschen geben Essen aus.
Legende: Essen, was die WEF-Gäste nicht mehr mögen: Mahlzeiten-Ausgabe von «4Reasons» in Davos. SRF

Stefan Pfister sagt, es sei ein wichtiges Zeichen, dass das Kongresszentrum mitmache: «Sie schreiben sich ja auf die Fahne, dass sie nachhaltig sein wollen und solche Projekte unterstützen wollen.» Ziel ist es, in diesem Jahr 1500 Teller mit Essen auszugeben. Neben dem Kongresszentrum sind auch 20 Hotels Teil des Projekts.

660 zusätzliche Flugbewegungen in Zürich

Nur: Zum World Economic Forum gehören seine internationalen Gäste. Es lässt auch dieses Jahr wieder 2000 Personen aus aller Welt anreisen. Unzählige der Spitzenpolitiker und Konzernchefs kommen im Privatjet. Allein der Flughafen Zürich schreibt auf Nachfrage, er rechne mit 660 zusätzlichen Flugbewegungen durch Staatsmaschinen, Privatjets und Helikopter wegen des WEF.

Der Flughafen St. Gallen-Altenrhein gibt noch keine Zahlen bekannt. Vor zwei Jahren sind dort während des WEF 281 Starts und Landungen abgefertigt worden.

Privatjet auf dem Boden
Legende: Ständiges Starten und Landen: Auf dem Flugplatz Althenrhein herrscht dieser Tage reger Verkehr von Privatjets. SRF

«Die meisten Umweltbelastungen an Grossveranstaltungen entstehen durch die An- und Abreise der Teilnehmenden», sagt Livia Somerville. Sie ist wissenschaftliche Projektleiterin zu Nachhaltigkeit an der Fachhochschule in Chur. «Wenn sie sich nur für die betrieblichen Emissionen verantwortlich sehen, also was in ihrer unmittelbaren Umgebung passiert, dann greift das zu kurz.»

Der Davoser Landammann Philipp Wilhelm sagt, man könne den Aspekt der An- und Abreise nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Man müsse diesen Aufwand aber in einem anderen Licht sehen: «Wenn es keinen Ort geben würde, an dem man innerhalb einer Woche sehr viele Gespräche haben könnte, würde es zu viel mehr Mobilität kommen, um diesen Austausch herzustellen.»

Vorschlag: WEF nur jedes zweite Jahr

Livia Somerville macht einen konkreten Vorschlag, um dem Problem der Reise-Emissionen zu begegnen: «Man könnte prüfen, dass man das WEF vor Ort nur alle zwei Jahre durchführt und für die anderen Jahre eine Videokonferenz-Veranstaltung durchführt.» Eine Videokonferenz verbrauche maximal 7 Prozent CO2 eines persönlichen Treffens, sagt die Forscherin.

Immerhin werden in diesem Jahr nach Auskünften des Flughafens ein Drittel weniger Flugzeuge mit WEF-Gästen in Zürich landen. In vergangenen Veranstaltungsjahren hatte man mehr als 1000 zusätzliche Flugbewegungen gezählt. Die niedrigere Teilnehmerzahl hat in dieser Hinsicht etwas Gutes.

Schweiz aktuell, 24.05.22, 19.00 Uhr

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