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Zahlungsmittel Versetzt Corona dem Bargeld den Todesstoss?

Kartenzahlungen und Handy-Apps laufen dem Bargeld den Rang ab. Naht eine Zukunft ohne Münzen und Banknoten?

Eine nicht repräsentative Umfrage unter Banken und Grossverteilern zeigt einen klaren, wenn auch wenig überraschenden Trend: Bargeld hat während der Corona-Pandemie an Bedeutung verloren. Die Bezüge an Bankautomaten sind überall um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen. Und an der Ladenkasse wird heute nur noch die Hälfte aller Einkäufe in bar bezahlt.

Auch die Schweizerische Nationalbank SNB stellt auf Anfrage einen Rückgang der Bargeldnachfrage fest und führt das auf die reduzierte Wirtschaftsaktivität und den eingeschränkten Detailhandel infolge der Pandemie zurück.

Twint ist um 150 Prozent gewachsen

Doch der Niedergang des Bargelds begann schon vor Corona. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern zeigt, wie sich die Verschiebung weg vom Bargeld in den letzten fünf Jahren beschleunigt hat. 2005 kam Bargeld noch bei geschätzten 71 Prozent aller Transaktionen zum Einsatz. 15 Jahre später liegt der Anteil nur noch bei 37 Prozent.

Konsumenten, welche die Einfachheit von bargeldlosen Zahlungsmitteln erfahren haben, werden nicht wieder zurück zum Bargeld wechseln.
Autor: Reto Wernli Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschule Luzern

Ein wichtiger Einschnitt geschah 2014 mit der Einführung der kontaktlosen Kartenzahlung. Lagen Zahlungen mit Kredit- und Debitkarten damals noch hinter dem Bargeld zurück, machten sie 2020 zusammen geschätzte 58 Prozent aller Transaktionen aus.

Aber auch das sogenannte Mobile Payment gewinnt immer mehr an Bedeutung. Zwar lag sein Anteil 2020 erst bei 5 Prozent, doch es wächst schneller als andere Zahlungsarten. Davon konnte in der Corona-Zeit vor allem die Schweizer App Twint profitieren. Von Dezember 2019 bis 2020 hätten die Transaktionen um 150 Prozent zugenommen, so Twint zu SRF Digital. Besonders gross sei das Wachstum in Bereichen gewesen, wo zuvor Bargeld verwendet wurde.

Bargeld soll gleichwertiges Zahlungsmittel bleiben

Im Gegensatz zur Barzahlung fallen bei elektronischen Zahlvorgängen Daten an, die von den Betreibern der jeweiligen Plattform gesammelt und ausgewertet werden können. Bei der Stiftung für Konsumentenschutz setzt man sich deshalb dafür ein, dass Bargeld als gleichwertiges Zahlungsmittel erhalten bleibt.

Muss Bargeld immer akzeptiert werden?

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Das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel regelt den Umgang mit Bargeld. Es hält fest, dass bis zu 100 schweizerische Umlaufmünzen an Zahlung genommen werden müssen und schweizerische Banknoten in unbeschränkter Zahl.

Trotzdem können Händler und Unternehmen davon abweichen und in ihren Geschäftsbedingungen Barzahlungen ausschliessen. Allerdings müssen die Kundinnen und Kunden noch vor dem Kauf darauf aufmerksam gemacht werden.

Ganz verschwinden wird das Bargeld aber nicht so schnell. Das zeigt das Beispiel Schweden, wo die meisten Einkäufe schon länger bargeldlos geschehen – ganz auf Bargeld verzichten will man aber auch dort nicht. Allein schon, damit die Händler ein Backup haben, sollte es bei den elektronischen Zahlsystemen zu einer Störung kommen.

Bargeld erstmals nicht mehr an erster Stelle

Schweizer Banken haben festgestellt, dass die Bargeldnachfrage nach Corona-Lockerungsschritten wieder zunahm. Auch die SNB sagt, in der Lockerungsphase zwischen Mai und Oktober habe sich die Nachfrage wieder erholt.

Andreas Dietrich vom Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern geht aber dennoch nicht davon aus, dass das Bargeld nach der Corona-Pandemie wieder an Bedeutung gewinnt. Sein Kollege Reto Wernli ist derselben Meinung: «Ich erwarte nicht, dass Konsumenten, welche die Einfachheit von bargeldlosen Zahlungsmitteln erfahren haben, bewusst wieder zurück zum Bargeld wechseln.»

Eine aktuelle Umfrage des Online-Vergleichsdienstes Moneyland scheint diese Einschätzung zu bestätigen: 1500 befragte Personen bewerteten Bargeld darin zum ersten Mal nicht mehr als wichtigstes Zahlungsmittel. Gegenüber einer Umfrage vor der Corona-Krise werden kontaktlose und mobile Zahlungsmittel wie Twint dagegen heute deutlich häufiger genutzt.

Espresso, 05.05.21, 08:13 Uhr

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