Zum Inhalt springen

Zu tiefe Löhne? Gewerkschaften fordern 5000 Franken Mindestlohn für Lehrabgänger

Dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund sind die Löhne der Arbeitnehmenden mit Berufslehre ein Dorn im Auge.

In der Schweiz sollen alle Arbeitnehmenden, die eine Lehre absolviert haben, mindestens 5000 Franken pro Monat verdienen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat an seiner Delegiertenversammlung eine entsprechende Forderung verabschiedet.

Denn für den SGB ist klar: Viele Menschen verfügen in der Schweiz nach einer Lehre nicht unbedingt über ein gutes und sicheres Einkommen. Ob Bäckerin, Pflegerin, Kita-Betreuer, Feinmechanikerin, Maurer oder ICT-Fachfrau: Jede und jeder dritte Beschäftigte mit einer Lehre hat einen Lohn unter 5000 Franken, wie eine Erhebung des SGB zeigt. Gerechnet wurde mit einem Bruttolohn bei einer 40-Stundenwoche und 13 Monatslöhnen.

«Ein Lohn unter 5000 Franken reicht in der Schweiz nicht, um gut leben zu können», sagt David Gallusser. Der Gewerkschaftsökonom hat die Löhne mit Hilfe der Lohnstrukturerhebung 2020 des Bundesamtes für Statistik analysiert. «Mit den Krankenkassenprämien, den Mieten, aber auch der Deckung des Grundbedarfs bleibt einfach zu wenig übrig. Gerade für Familien mit Kindern ermöglicht ein solches Einkommen kein Leben ohne finanzielle Sorgen.»

Angestellte in einem Coiffeur-Salon.
Legende: Müssen auch nach Lehrabschluss mit einem tiefen Lohn auskommen: Angestellte in einem Coiffeur-Salon. Keystone/Michael Buholzer

Für viele Gelernte stiegen die Löhne auch mit jahrelanger Erfahrung kaum, schreibt der SGB weiter. Kurz vor der Pensionierung erhalte ein Viertel aller Gelernten weniger als 5000 Franken. Besonders tief seien die Löhne in Berufen mit vielen Frauen.

Simon Wey, Chefökonom beim Schweizerischen Arbeitgeberverband (SVA), wehrt sich gegen eine pauschale Beurteilung des benötigten Einkommens: «Ob 5000 Franken Lohn reichen oder nicht, hängt stark von den Lebensumständen ab.» Ausserdem eröffneten sich mit einer Berufslehre Möglichkeiten zur Weiterbildung, die sich später nicht nur in einer höheren Qualifikation, sondern auch in einem besseren Lohn niederschlagen.

Für Gewerkschaftsökonom David Gallusser greift das Argument der möglichen Weiterbildung zu kurz: «Das Versprechen der Lehre in der Schweiz ist, dass man eine gute Ausbildung erhält und anschliessend einen sicheren Platz im Erwerbsleben mit einem guten Einkommen bekommt. Leider ist das für viele betroffene Berufsleute ein hohles Versprechen.»

Auch wenn die Fronten zwischen SGB und SAV abgesteckt sind: In einem Punkt geht Simon Wey mit David Gallusser einig: «Man muss sich durch eine Berufslehre finanziell besser stellen können zu jemandem ohne Lehrabschluss.»

Tagesschau, 31.05.2024, 19:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel