Die Zahl der Corona-Neuansteckungen ist in der Region Basel derzeit immer noch sehr tief. Der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen ist deshalb zufrieden mit der Entwicklung der Pandemie. Aktuell beobachtet er jedoch neue Ansteckungsmuster. Wie zu Beginn der Pandemie seien derzeit junge Menschen betroffen, wie er im Wochengastgespräch mit dem «Regionaljournal Basel» von Radio SRF sagt.
SRF Regionaljournal: Thomas Steffen, die Ansteckungszahlen sind tief, die erste Welle scheint vorbei zu sein. Waren sie schon einem Geburtstagsfest?
Thomas Steffen: Nein, ich hatte die Gelegenheit noch nicht, würde aber durchaus gehen. An einem solchen Fest würde ich dann aber schauen, dass die Gäste sich an die Hygiene- und Schutzregeln halten.
Vor rund zwei Monate wäre ein solches Fest noch undenkbar gewesen. Basel-Stadt hatte den Spitzenplatz bei der Anzahl Infizierten im Verhältnis zur Wohnbevölkerung. Auf diesen Spitzenplatz können wir nicht unbedingt stolz sein.
Das ist ein Platz, der nicht unerwartet war. Man muss wirklich genau hinschauen, um diese Zahlen zu verstehen. Wir sind eine verdichtete Stadt. Seit hunderten von Jahren weiss man, dass Seuchen und Epidemien vor allem in den Städten ausbreiten, weil dort viele Menschen zusammenkommen und sich anstecken können.
Sind sie zufrieden, wie man hier die Situation gemeistert hat?
Wenn man sich in der Welt umschaut, dann hat man das Gefühl, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind.
Wenn man sich in der Welt umschaut, dann hat man das Gefühl, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind.
Man weiss aber auch: Wir sind noch nicht richtig raus. Die Situation kann sich noch unterschiedlich entwickeln, deshalb müssen wir vorsichtig bleiben.
Basel ist nicht nur ein Stadtkanton, sondern auch umgeben von anderen Ländern. Macht diese Lage die Bekämpfung der Pandemie noch schwieriger als anderenorts?
Es macht die Bekämpfung schwieriger, aber in gewissen Aspekten auch einfacher. Schwierig, weil es in einer Stadt viele Leute hat. Der Vorteil an einer Stadt - auch das haben wir gesehen – ist, dass wir in Basel viele Mittel zur Verfügung haben. Wir hatten schnell, viele Leute zur Bekämpfung zusammen, das was sehr hilfreich.
Kritisiert von der Gesundheits- und Sozialkommission wurde die Knappheit bei den Schutzmitteln, wie Gesichtsmasken. Was sagen sie zu dieser Kritik?
Das ist ein wichtiger Punkt. Die Situation hat sich während der Krise stark verändert. Wir hatten vor der Krise rund 350'000 Masken, nun haben wir über zwei Millionen. Hier haben wir in der Krise dazugelernt. Man muss die Lagerhaltung national und auch als Kanton jedoch in Zukunft genauer anschauen.
Ein weitere Kritikpunkt war die Zusammenarbeit zwischen den beiden Basel. Zu Beginn der Pandemie verfolgten die beiden Kantone unterschiedliche Strategien. Was ziehen sie hier für Lehren?
Auch hier müssen wir zusammen schauen, was man verbessern kann. Aber die Situation ist zu einem grossen Teil der schweizerischen Eigenart mit dem föderalen System geschuldet. Das kann Vorteile haben, zum Beispiel, dass man als Kanton sehr schnell reagieren kann. Dies kann aber in der Bevölkerung auch Verwirrung schaffen.
Was ändern sich nun für die Zukunft?
Mit Baselland gibt es schon zwei Projekte, die in Planung sind rund um das Thema Corona. Mit Deutschland und Frankreich sind auch Gespräche geplant.
Aktuell werden die Fälle per «Contact-Tracing» untersucht. Man verfolgt die Ansteckungsketten, um herauszufinden, wo sich die Betroffenen angesteckt haben und mit wem sie Kontakt hatten. Wer steckt sich denn heute überhaupt noch an?
Bei den letzten acht Fällen, die wir seit Mai hatten, hat sich das Gesamtbild interessanterweise deutlich verändert. Vor ein paar Wochen hatten sich typischerweise Menschen angesteckt, die über 50 Jahre alt waren. Bei den aktuellen Neuansteckungen handelt es sich um Menschen, die knapp über 20 und aktiv im Berufsleben sind.
Wo haben sich diese Leute angesteckt?
Wir haben unterschiedliche Muster. Aber bei genauerem Hinschauen zeigt sich: Die Ansteckungen passieren in engen Räumen mit vielem Menschen. Dies bedeutet, dass die Schutzkonzepte unbedingt eigehalten werden müssen und wir müssen darauf achten, dass die Leute nicht in den alten Modus zurückfallen. Bis jetzt hatten wir aber zum Glück einen günstigen Verlauf.
Rechnen sie mit einer zweiten Welle?
Es gibt verschiedene Szenarien. Eine zweite Welle ist nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlich ist aber eher ein chronischer Verlauf, also dass wir immer wieder Fälle haben und auf diese konsequent reagieren müssen. Wichtig bleibt, dass wir unbedingt die Hygiene- und Schutzmassnahmen einhalten müssen.
Das Gespräch führte Martina Polek.