Heute vor 25 Jahren, am 3. November 2000, verkündete die Tagesschau eine Nachricht, die den Schweizer Biermarkt für immer verändern sollte: Der dänische Braugigant Carlsberg übernahm den damals grössten Schweizer Bierproduzenten Feldschlösschen für 870 Millionen Schweizer Franken.
Das Bierkartell der Schweiz
Bis in die frühen 1990er-Jahre war der Schweizer Biermarkt stark reguliert. Seit 1935 hatten sich fast alle Brauereien darauf verständigt, keinen Wettbewerb untereinander zu führen schreibt das Schweizerische Nationalmuseum in einem Blog. Preise, Werbung und Liefergebiete wurden gemeinsam festgelegt – selbst in Restaurants galten einheitliche Bierpreise.
Diese Absprachen gingen so weit, dass die meisten Restaurants nur eine Biersorte beziehen durften.
Rudolf Strahm, damaliger Nationalrat und späterer Preisüberwacher, erinnert sich:
«Für die ganze Schweiz wurden die Bierpreise unter den Lieferanten abgesprochen. Ebenso zwischen Brauereien und Restaurants. Diese Absprachen gingen so weit, dass die meisten Restaurants nur eine Biersorte beziehen durften, nicht das gesamte Sortiment.»
Oft seien zudem Brauereien an Restaurants beteiligt gewesen, sei es durch Eigentum oder Hypothek. Die Bindung zwischen Brauerei und Restaurant war also sehr eng. Das Bierkartell sorgte für Stabilität, hemmte jedoch die Vielfalt und hielt die Preise hoch.
Auflösung und Marktöffnung
In den 1970er-Jahren begann das System zu bröckeln: Der Bierkonsum ging zurück, und die Politik übte zunehmend Kritik an den Absprachen.
Mit dem Kartellgesetz von 1995 wurde das Kartell offiziell aufgehoben. Der internationale Wettbewerb setzte eine schnelle Konzentration in Gang: Viele Schweizer Brauereien konnten sich nicht halten. Zwischen 1994 und 2008 wurden die wichtigsten Produzenten verkauft: Calanda-Haldengut ging an Heineken, Feldschlösschen-Hürlimann an Carlsberg und Eichhof ebenfalls an ausländische Eigentümer.
Strahm schildert die Folgen für die Restaurants: «Die Wirte und Wirtinnen hatten schlaflose Nächte.» Früher waren Beteiligungen von Brauereien an Gastronomiebetrieben üblich. Ab 1995 kam es zur «Restaurant-Immobilienkrise»: Die grossen Konzerne Carlsberg und Heineken hatten kein Interesse mehr an Restaurants, die auch von Wettbewerbern beliefert wurden. Viele Wirte gerieten dadurch in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten.
Alte Brauereien werden neue Stadtquartiere
Viele ehemalige Produktionsareale liegen heute in attraktiven Stadtlagen: Auf dem ehemaligen Hürlimann-Areal in Zürich gibt es heute ein Spa, das frühere Haldengut-Gelände in Winterthur wurde zu einem Wohnquartier mit Gastronomie und Kleingewerbe.
Einige unabhängige Regionalbrauereien überstanden den Wandel – etwa Appenzeller Bier oder Schützengarten. Weil sie nicht börsenkotiert waren, konnten sie Übernahmeangebote leichter abwehren.
Aufstieg der Mikrobrauereien
Seit dem Ende des Kartells wächst die Zahl der Mikrobrauereien rasant. Heute existieren über 1500 registrierte Brauereien in der Schweiz, die experimentelle und vielfältige Biere herstellen – ein deutlicher Kontrast zu den starren Strukturen vor 25 Jahren.
Die Übernahme von Feldschlösschen durch Carlsberg markierte das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen Schweizer Bierkultur. Heute profitieren Konsumentinnen und Konsumenten von Vielfalt und freiem Wettbewerb – vom kleinen Craft-Beer bis zum traditionellen Regionalbier.