Mit einer Hebebühne erreichen die Täter die Fenster des meistbesuchten Museums der Welt – dem Louvre. Sie haben Kettensägen dabei, brechen die Vitrinen auf und verschwinden mit Schätzen von unschätzbarem Wert. Sie flüchten auf Motorrädern. Ein Einbruch ist etwas Verwerfliches und trotzdem fasziniert es uns, was da in Paris passierte. Kulturwissenschaftlerin Christine Hämmerling weiss, weshalb.
SRF: Der spektakuläre Coup im Louvre – warum sind wir nicht nur schockiert, sondern auch fasziniert?
Christine Hämmerling: Das hat viele Gründe. Zum einen ist es ein Verbrechen, das immer wieder vorhergesagt wurde. Man hat sich gefragt: Kann man diese wertvollen Objekte wirklich stehlen – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen? Jetzt wissen wir: Es ist möglich. Und noch dazu war es ein sehr beeindruckender Raub.
Wir hören gerne Geschichten über Menschen, die etwas raffiniert und professionell durchziehen.
Filmreif würden wir sagen. Gibt es weitere Gründe?
Ja, populärkulturelle Vorbilder spielen eine Rolle. Für viele, die die Nachrichten aus Paris gehört haben, fühlte es sich an, wie ein True-Crime-Fall. Der Ausgang ist offen: Werden die Täter gefasst? Kommen die Objekte zurück? Das erzeugt Spannung.
Da waren Profis am Werk …
Genau. Und wir hören lieber Geschichten über Menschen, die etwas raffiniert und professionell durchziehen, als über stümperhafte Versuche.
Man kann gleichzeitig fasziniert sein und sagen: So ein Verbrechen ist schlimm.
Wie beeinflussen Popkultur und Filme solche Taten in der realen Welt?
Ich glaube schon, dass es da Wechselwirkungen gibt. Filme geben uns einen Rahmen, wie wir solche Taten bewerten – manchmal sogar als gar nicht so schlimm. In populären Filmen wie «Ocean's Twelve» oder Klassikern wie «Wie klaut man eine Million?» oder «Topkapi» sind Kunstdiebe besondere Figuren: kreativ, raffiniert, fast künstlerisch. Das färbt auf unsere Wahrnehmung ab.
Und die tun auch selten jemandem weh, oder?
Das ist im aktuellen Fall ganz wichtig: Es wurde niemand verletzt. Das macht die Täter gleich etwas sympathischer. Natürlich wissen wir, dass es um viel Geld und unschätzbare Werte geht. Aber die kulturellen Vorbilder lassen uns hoffen, dass es ein spannender Fall ist – und nicht einfach nur ein brutales Verbrechen. Wir möchten gerne hören, wie es weitergeht.
Da gibt es aber sicher auch Leute, die den Einbruch im Louvre schlimm finden?
Natürlich. Aber das eine schliesst das andere auch nicht aus. Viele Menschen verfolgen den Fall mit Spannung, fragen sich: Wie haben die das gemacht? Wie konnten sie die Sicherheitslücken finden? Diese Faszination bedeutet aber nicht, dass man den Einbruch gutheisst.
Gerade wenn man versteht, was da verloren ging – kulturelle Werte, historische Objekte von unschätzbarem Wert – wird klar, wie gravierend das Verbrechen ist. Der Louvre gilt als eines der sichersten Museen der Welt. Dass dort eingebrochen wurde, erschüttert nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die gesamte Museumslandschaft.
Man kann also gleichzeitig fasziniert sein vom Ablauf und der Raffinesse – und dennoch sagen: So ein krasses Verbrechen ist schlimm.
Das Gespräch führte Fabio Flepp.