Graue Plastikkisten stehen aufgereiht in einem kleinen Raum. Auf ihnen liegen Zettel mit Notizen, daneben weitere Kisten, eine Waschmaschine, ein Narkose-Gerät und ein OP-Tisch. Wir befinden uns in der Notpflegestation für Fledermäuse beim Zoo Zürich.
Es ist die grösste ihrer Art in der Schweiz. «Wir könnten bald die Hundertermarke knacken», sagt Katja Schönbächler, Tierärztin und Leiterin Fledermaus-Notpflegestation. Aktuell sind rund 90 Tiere auf der Zürcher Station, täglich werden neue abgegeben.
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Bild 1 von 3. Fledermäuse schlafen tagsüber fast durchgängig. Nachts können sie in einer Voliere fliegen. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 3. Nicht stören, bitte! Mitarbeitende der Fledermaus-Notpflegestation beim Zoo Zürich versorgen die abgegebenen Fledermäuse. Dabei sind sie so ruhig wie möglich, um die Fledermäuse nicht unnötig zu stören. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 3. Das Personal trägt Handschuhe und Masken, wenn sie die Fledermäuse versorgen. Bildquelle: SRF.
Die Fledermaus-Spezialistin freut sich einerseits, dass sie vielen Tieren helfen können. Andererseits sind es immer verletzte oder geschwächte Fledermäuse, oft Jungtiere, die zu ihr kommen. Die Expertinnen und Experten versuchen, die Fledermäuse wieder aufzupäppeln und fit für die Natur zu machen.
Warum brauchen gerade so viele Fledermäuse Hilfe?
Im Sommer werden die Fledermaus-Jungtiere flügge und sind unterwegs. Eine heikle Zeit, in der sie sich verletzen können und teilweise geschwächt sind. Zum Beispiel, weil sie von Katzen verletzt wurden, zu wenig Nahrung gefunden oder ihre Mutter verloren haben.
Privatpersonen bringen die Tiere zur Notpflegestation. Hier schlafen sie tagsüber in grauen Boxen mit Luftlöchern, vor Licht und Lärm geschützt. Nachts fliegen sie in einer Voliere des Zoos.
Vom Aufpäppeln bis zum Operieren
Die Aufgaben, die die Notpflegestation übernimmt, sind breit gefächert. Einige Tiere sind nur ein paar Tage da, erklärt Tierärztin Katja Schönbächler. Sie werden mit Mehlwürmern aufgepäppelt und kehren bald wieder in die Natur zurück. Andere bleiben mehrere Monate auf der Station, weil sie sich zum Beispiel von einer Operation erholen müssen.
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Bild 1 von 4. Risse und Verletzungen werden desinfiziert, teilweise erhalten die Fledermäuse auch Medikamente per Pipette. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 4. Mehlwürmer sind zwar nicht die Nahrung, die Fledermäuse auch in der freien Wildbahn fressen würden, machen sie aber schnell wieder fit für die Natur. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 4. Einsatz mit Leidenschaft: Katja Schönbächler ist Tierärztin und Leiterin Fledermaus-Notpflegestation. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 4. Eine Fledermaus muss zuerst ihre Körpertemperatur erhöhen, um Nahrung aufnehmen zu können. Während des Schlafs sinkt die Temperatur stark ab. Bildquelle: SRF.
«Die Überlegung ist immer: Hat das Tier noch eine Chance in der Natur?», sagt Katja Schönbächler, während sie Risse in den Flügeln einer Fledermaus desinfiziert. Mit der richtigen Pflege kann die Flughaut von selbst heilen.
Kleine Tiere mit grosser Wirkung
In der Schweiz gibt es rund 30 Fledermausarten. 58 Prozent davon sind als gefährdet eingestuft. Viele der Arten sind wenige Zentimeter klein, wiegen gerade mal 5 Gramm – so viel wie zwei Zuckerwürfel.
Warum ist Katja Schönbächler so fasziniert von den kleinen Tieren? «Sie sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können», sagt sie und ergänzt: «Und sie sind unglaublich wichtig für unser Ökosystem, weil sie viele Insekten – vor allem Schädlinge – fressen.»
Eine Fledermaus frisst pro Nacht bis zu 3000 Mücken – im Blindflug, wohlgemerkt. Denn sie bewegen sich mittels Echoortung durch die Dunkelheit.
Temperaturschwankungen sondergleichen
Apropos Nahrung: Diese können die Fledermäuse nur zu sich nehmen, wenn ihr Körper auf «Betriebstemperatur» ist. Heisst: bei der Jagd etwa 40 Grad.
Im Winterschlaf und während des täglichen Schlafs sinkt die Körpertemperatur auf bis zu 0 Grad ab. So spart die Fledermaus so viele Ressourcen wie möglich – vergleichbar mit dem Ruhemodus am Handy.
Entsprechend muss Katja Schönbächler warten, bis sie die Fledermaus in ihrer Hand mit den Mehlwürmern vor ihr aufpäppeln kann. Denn: Das Tier muss zuerst die Körpertemperatur erhöhen, um essen zu können. Die Fledermaus zuckt mit dem Rücken, nach wenigen Minuten ist sie bereit: Essenszeit in der Notpflegestation.