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Mikrokosmos im Dreiländereck Ein Container kommt im Basler Hafen an – und dann passiert das

Von Rotterdam her gleiten Schiffe mit reizvollen Namen wie «Alsace» oder «Eigernordwand» den Rhein herauf in Richtung Basel. Geladen haben sie Container mit wichtigen Gütern. Doch was muss alles passieren, bis ein Container den Hafen verlassen kann? Ein Ortsbesuch.

Rund 100'000 Schiffscontainer gelangen und verlassen jährlich in die Basler Häfen in Kleinhüningen, Birsfelden und Muttenz.

Etwa zehn Prozent aller Güter in der Schweiz, von Lebensmitteln über Pharmaprodukte bis hin zu Aluminium für Kaffeekapseln, finden ihren Weg über die Basler Rheinhäfen in die hiesigen Ladenregale, Lagerhallen und schlussendlich zu uns nach Hause.

Bis ein Schiffscontainer aber auf dem Anhänger eines Sattelschleppers landet, muss einiges passieren. Dafür braucht es viele Menschen und Mechanismen im Schweizerischen Dreiländereck, die fein orchestriert und wie ein Uhrwerk aufeinander abgestimmt sind, dass diese Logistik sicher, effizient und nicht zuletzt auch nach betrieblicher und behördlicher Vorschrift passieren kann.

Die erste Instanz: die Basler Revierzentrale

Hündin Amy gähnt im Tower der Revierzentrale, während ihr Besitzer, der Binnenschiffer und Hafenkoordinator Christian Lindner, einen Funkspruch entgegennimmt.

Der Tower in der Basler Revierzentrale ist das «Hirn» des Hafens. In diesem wichtigen Knotenpunkt für die Binnenschifffahrt wird die Verkehrssicherung im Hafen sichergestellt. Das Funkgerät piepst, hier ein Funkspruch, da eine Meldung.

Menschen in einer Leitstelle mit mehreren Bildschirmen.
Legende: Moderator Ralph Wicki (l.) im Tower der Revierzentrale mit Robin Hofer, Christian Lindner (r.) und Hündin Amy. SRF / Max Fischer

Jedes Schiff, das den Hafen anfahren oder verlassen möchte, muss sich bei Lindner oder einem seiner Kollegen im Tower melden. Auch bei Notfällen, wie im äussersten Fall einer Havarie oder anderweitigen Störungen an Bord, informieren die Binnenschiffkapitäne die Revierzentrale. Dort werden dann die entsprechenden Massnahmen eingeleitet.

Der Hafen in Basel steuert der Zukunft entgegen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Weiterentwicklung des eigenen Areals ist zentral für die Basler Häfen. Mit dem Hafenbecken drei herrscht beim vielleicht wichtigsten Teil jedoch Stillstand. Ein Gericht entscheidet über die zukünftige Verwendung des Rangiergeländes des Badischen Bahnhofs. Dort ist während der letzten Jahre ein einzigartiges Naturschutzgebiet entstanden. «Mit dem Hafenbecken drei wollen wir auf den zunehmenden Containerverkehr reagieren und die Bahn stärker in die Transportkette einbringen», sagt Florian Röthlingshöfer, CEO von Port of Switzerland.

Auf der anderen Seite sei der Hafen eingebettet in die städtebauliche Entwicklung des Kantons Basel Stadt. Der Hafen zeigt sich jetzt schon sehr fortschrittlich. Die Anlage verfügt über die grösste Solaranlage des Kantons und will bis 2037 klimaneutral sein.

Roboter könnten Kranführer ersetzen

Derzeit sei die Automatisierung in Basel noch nicht weit fortgeschritten. Die Kräne werden derzeit noch von Menschen bedient, sagt Röthlingshöfer. Nur gewisse Prozesse in Logistikhallen seien automatisiert

«Es gibt schon die ersten Containerterminals in den Seehäfen, die vollautomatisch sind. Es ist vorstellbar, dass auch bei uns eine Automatisierung der Krananlagen stattfindet», sagt Röthlingshöfer.

Es gehe darum, das richtige Mass zu finden. Es sei schwierig, geeignetes Personal für die Arbeit im Hafen zu finden, auch auf dem Rhein herrscht Fachkräftemangel. «Wir müssen die Menschen mitnehmen und dort automatisieren, wo es sich anbietet. Es geht darum, Akzeptanz zu schaffen und wirtschaftlich zu bleiben», sagt Röthlingshöfer.

Veränderung bei der Fracht

Der Containerverkehr auf dem Rhein dürfte laut Röthlingshöfer weiter zunehmen. Auch bei den Bau- und Recyclingmaterialien geht er von einer Zunahme aus: «Der Mineralöltransport, alles, was mit Benzin, Heizöl, Diesel zu tun hat, wird über die Jahre natürlich zurückgehen. Dafür kommen neue, grüne, flüssige Kraftstoffe über den Rhein zu uns.»

Eine bedeutende Umstellung für die Basler Häfen. Mineralöl macht einen Grossteil der Tonnage aus. «Es ist für uns deshalb wichtig zu sehen, welche Energieträger sich international etablieren werden», sagt Röthlingshöfer. 

Ein Schiff will in den Hafen einfahren. Da wird einer der zehn Bildschirme im Tower relevant. Auf diesem steht, mit einigen anderen Namen und Telefonnummern, der Name Steven Leisenberg. Christian Lindner ruft Leisenberg an, ein Schiff muss durch den Hafen gelotst werden. Hündin Amy schliesst wieder die Augen. Für einen Moment ist Stille in der Revierzentrale.

Lotsen lenken Containerschiffe durch gefährliche Stellen im Rheinknie

Steven Leisenberg steigt von seinem Velo und hievt es an Bord des Rheinschiffs. Ein Matrose hilft ihm dabei.

Mann übergibt Fahrrad an Person auf Boot.
Legende: Leisenberg bewegt sich zwischen den Schiffen mit seinem Fahrrad. Das ist der schnellste Weg für Hafenlotsen, sich fortzubewegen. SRF / Lars Epting

Dann besteigt er die Brücke und hält kurz inne, bevor er den Innenraum der Kapitänsbrücke betritt. Er zieht seine Schuhe aus. Erst dann betritt er das innere des Rheinschiffs. «Es ist Pflicht, auf jedem Schiff die Schuhe auszuziehen.» Denn eigentlich betrete man, so Leisenberg, in so einem Moment auch die Stube beziehungsweise die Wohnungen der Schiffsführer.

Leisenberg ist Hafenlotse. Seine Aufgabe ist es, die Schiffe mit ihren Containern sicher durch das Rheinknie zu manövrieren. Das ist Vorschrift. Rheinschiffe sind oft über 100 Meter lang. Durch die enorme Länge hat so ein Schiff bei der Fahrt tote Winkel. Die Mittlere Rheinbrücke aus dem 13. Jahrhundert ist dabei eine besondere Challenge.

Der Basler Hafen – von damals bis heute

Theoretisch könnte auch ein Autopilot durch das Basler Rheinknie lenken. Doch das ist schlicht zu gefährlich: «Der Autopilot sieht keine Hindernisse und reagiert nicht auf Sportboote oder Personen im Wasser. Sie fahren einfach stupide den vorgegebenen Kurs, das können wir nicht verantworten.»

Nach seiner Lotsenfahrt nimmt Leisenberg sein Velo wieder vom Schiff und radelt zügig den Rhein wieder hoch. Christian Lindner aus der Revierzentrale hat ihm schon das nächste Schiff angekündigt, welches er in Kürze «kapern» muss. Auch dieses nächste Schiff wird er sicher durch das Rheinknie manövrieren.

Kranführer im Terminal: Hier wird dreidimensionales Tetris gespielt

Das Frachtschiff, welches Steven Leisenberg gerade durchs Rheinknie manövriert hat, legt beim Terminal im Hafenbecken zwei an. Tim Hebestreit steht auf dem Vorplatz seiner Kranführerkabine. Am Terminal stapeln sich die Container und vom Logenplatz auf dem Kran sieht man an diesem klaren Herbstnachmittag in alle Himmelsrichtungen. «Ich habe das geilste Büro der ganzen Schweiz», sagt er mit glänzenden Augen. Doch dieses Büro kommt auch mit einer grossen Verantwortung.

Kranführer Tim Hebestreit muss immer hoch konzentriert arbeiten. Kleinste Fehler können arge Konsequenzen haben. Spass darf aber trotz aller Sicherheitsvorkehrungen sein: «Manchmal mache ich mir einen Spass daraus, eine Ladung auf einen LKW zu setzen, ohne dass es der Fahrer merkt.» Der Gesichtsausdruck, wenn die Fahrer den heimlichen Vorgang bemerken, sei «unbezahlbar».

Hebestreit betritt die Kabine seiner «Eleanor». So nennt er den Kran liebevoll. Der Name entstand in Anlehnung an den Spielfilm «Gone in 60 Seconds» mit Nicolas Cage. Dort ist «Eleanor» ein Ford Mustang Shelby GT500.

Der besagte Ford Mustang wiegt aber im Vergleich zum Kran etwas weniger. Tim Hebestreit sitzt sicher im Stuhl des 700 Tonnen schweren und 140 Meter langen Stahlgeräts und zirkelt, mit viel Fingerspitzengefühl in schwindelerregender Höhe, die schweren Schiffscontainer von den Schiffen auf einen Sattelschlepper oder ins Zwischenlager am Terminal.

Tim Hebestreit zirkelt einen letzten Container haargenau auf einen Lastwagen. Der Fahrer hat nichts bemerkt und wirkt merklich erstaunt, als er aus der Führerkabine steigt. Tim Hebestreits Tag ist eigentlich schon perfekt.

Die eisernen Reserven am Basler Hafen

Doch dieser Container verlässt den Hafen nicht, sondern wird auf dem Lastwagen des immer noch leicht konsternierten Fahrers in ein Pflichtlager gebracht.

Über 100'000 Tonnen Nahrungsmittel werden in sogenannten «Pflichtlagern» eingelagert. Vor allem Getreide wie Gerste, Hafer und Mais und auch Kaffeebohnen werden gebunkert. Bis zu drei Jahre liegen die Vorräte in den Silos.

2021 wurden beispielsweise die Pflichtlager für Dünger angezapft, im Jahr 2018 musste man mit Treibstoff aus den Pflichtlagern überbrücken.

Ein solches Lager kann man sich vorstellen wie der Geldspeicher von Dagobert Duck. Nur hat ein Pflichtlager verschiedene Einheiten. Regelmässige Laborproben sind in diesen Einheiten Pflicht. Im schlimmsten Fall dringen Schädlinge ein. Diese müssen dann bekämpft werden, damit das Lagergut nicht kaputtgeht.

Die Fracht muss kontrolliert werden

Patrick Leunberger ist Gruppenchef vom Zoll Basel Mitte. Auch er hatte schon Begegnungen mit Schädlingen. Container voll mit Maden, Larven und Kakerlaken.

Polizist auf Boot zeigt Richtung Flussufer.
Legende: Zöllnerinnen und Zöllner am Basler Rheinhafen kontrollieren nicht nur Container, sondern auch Mannschaften von Frachtschiffen und deren Räumlichkeiten. Keystone / GAETAN BALLY

Container werden am Terminal kontrolliert. Die jeweiligen Terminals werden vorinformiert, dass eine Zollinspektion vorbeikommt. Entsprechend platzieren Tim Hebestreit und seine Kranführerkollegen den zu inspizierenden Container, damit die Zollbehörde ihrer Arbeit nachgehen kann. Die Zollinspektion öffnet den Container und entscheidet dann, was gemacht wird. So eine Kontrolle kann eine halbe Stunde dauern oder mehrere Tage.

Tim Hebestreit drückt seine Zigarette aus und begibt sich zurück in die Kabine seines Krans. Er setzt den vom Zoll geprüften Container auf den dafür vorgesehenen Sattelschlepper ab. Der Fahrer winkt ihm zu, Tim Hebestreit winkt zurück. Feierabend am Basler Rheinhafen. 

Radio SRF 1, «Hey, hey Wicki», 30.9.2025, 10:00 Uhr

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