Rund 100'000 Schiffscontainer gelangen und verlassen jährlich in die Basler Häfen in Kleinhüningen, Birsfelden und Muttenz.
Etwa zehn Prozent aller Güter in der Schweiz, von Lebensmitteln über Pharmaprodukte bis hin zu Aluminium für Kaffeekapseln, finden ihren Weg über die Basler Rheinhäfen in die hiesigen Ladenregale, Lagerhallen und schlussendlich zu uns nach Hause.
Bis ein Schiffscontainer aber auf dem Anhänger eines Sattelschleppers landet, muss einiges passieren. Dafür braucht es viele Menschen und Mechanismen im Schweizerischen Dreiländereck, die fein orchestriert und wie ein Uhrwerk aufeinander abgestimmt sind, dass diese Logistik sicher, effizient und nicht zuletzt auch nach betrieblicher und behördlicher Vorschrift passieren kann.
Die erste Instanz: die Basler Revierzentrale
Hündin Amy gähnt im Tower der Revierzentrale, während ihr Besitzer, der Binnenschiffer und Hafenkoordinator Christian Lindner, einen Funkspruch entgegennimmt.
Der Tower in der Basler Revierzentrale ist das «Hirn» des Hafens. In diesem wichtigen Knotenpunkt für die Binnenschifffahrt wird die Verkehrssicherung im Hafen sichergestellt. Das Funkgerät piepst, hier ein Funkspruch, da eine Meldung.
Jedes Schiff, das den Hafen anfahren oder verlassen möchte, muss sich bei Lindner oder einem seiner Kollegen im Tower melden. Auch bei Notfällen, wie im äussersten Fall einer Havarie oder anderweitigen Störungen an Bord, informieren die Binnenschiffkapitäne die Revierzentrale. Dort werden dann die entsprechenden Massnahmen eingeleitet.
Ein Schiff will in den Hafen einfahren. Da wird einer der zehn Bildschirme im Tower relevant. Auf diesem steht, mit einigen anderen Namen und Telefonnummern, der Name Steven Leisenberg. Christian Lindner ruft Leisenberg an, ein Schiff muss durch den Hafen gelotst werden. Hündin Amy schliesst wieder die Augen. Für einen Moment ist Stille in der Revierzentrale.
Lotsen lenken Containerschiffe durch gefährliche Stellen im Rheinknie
Steven Leisenberg steigt von seinem Velo und hievt es an Bord des Rheinschiffs. Ein Matrose hilft ihm dabei.
Dann besteigt er die Brücke und hält kurz inne, bevor er den Innenraum der Kapitänsbrücke betritt. Er zieht seine Schuhe aus. Erst dann betritt er das innere des Rheinschiffs. «Es ist Pflicht, auf jedem Schiff die Schuhe auszuziehen.» Denn eigentlich betrete man, so Leisenberg, in so einem Moment auch die Stube beziehungsweise die Wohnungen der Schiffsführer.
Leisenberg ist Hafenlotse. Seine Aufgabe ist es, die Schiffe mit ihren Containern sicher durch das Rheinknie zu manövrieren. Das ist Vorschrift. Rheinschiffe sind oft über 100 Meter lang. Durch die enorme Länge hat so ein Schiff bei der Fahrt tote Winkel. Die Mittlere Rheinbrücke aus dem 13. Jahrhundert ist dabei eine besondere Challenge.
Der Basler Hafen – von damals bis heute
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Bild 1 von 11. 1223-1225: Bau der Mittleren Rheinbrücke. Der Basler Bischof Heinrich von Thun lässt die mittlere Rheinbrücke bauen. Sie wird zum schnellsten Weg über den Fluss und macht Basel zur Handelsstadt. Das exakte Baudatum ist nicht bekannt. Für die Schifffahrt ist die mittlere Rheinbrücke wegen ihrer tiefen Bögen auch heutzutage eine Herausforderung. Bildquelle: Wikimedia/Schedelsche Weltchronik.
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Bild 2 von 11. 1817-1870: Begradigung des Rheins. Die Rheinbegradigung zwischen Bingen und Basel war Voraussetzung für die Schiffbarmachung des Rheins. Die Begradigung wurde nach den Plänen des badischen Ingenieurs Johann Gottfried Tulla durchgeführt. Tulla spielte auch eine massgebliche Rolle dabei, die Nachbarstaaten von den Vorteilen einer Begradigung zu überzeugen. Bildquelle: Wikimedia/Unbekannt.
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Bild 3 von 11. 1832: Erstes Dampfschiff in Basel. Das erste Dampfschiff mit dem Namen «Stadt Frankfurt» erreichte die Stadt Basel im Jahr 1832. Bereits acht Jahre später wurde das Schiff wieder abgewrackt. Einer der Gründe war, dass diese Dampfschifftechnologie bereits wieder veraltet war und dadurch wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Bildquelle: Staatsarchiv Basel.
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Bild 4 von 11. 1876: Hochwasser. Überdimensionaler Starkregen führte im Juni 1876 dazu, dass der Rhein über die Ufer trat und Kleinbasel unter Wasser stand. Nach dem Hochwasser wurde der Fluss des Rheins weiter korrigiert mittels einer Thurkorrektion. Das heisst, der Fluss wurde in ein gerades Bachbett gezwängt. Bildquelle: Staatsarchiv BS.
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Bild 5 von 11. 1904: Erster grosser Schleppkahn in Basel. 1904 fuhr mit dem Schleppkahn «Christina» das erste grosse Frachtschiff im Basler Hafen ein und brachte 300 Tonnen Ruhrkohle. Das war der Durchbruch der «modernen» Rheinschifffahrt der Schweiz. Anlagestellen gab es damals noch nicht. Bildquelle: Teun de Wit Archief.
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Bild 6 von 11. 1906-1922: Hafenbau. Das Aufkommen der Dampfschifffahrt führte zum Bau des Hafens St. Johann. Weil sich dahinter Industrieanlagen befanden und man sich nicht ausbreiten konnte, entstand 1922 in Kleinhüningen schliesslich das heutige Hafenbecken 1. Dieser älteste Basler Rheinhafen wurde 2010 stillgelegt und die Hafenanlagen abgebrochen. Bildquelle: Keystone / Eugen Suter.
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Bild 7 von 11. 1937-1940: Birsfelden und Muttenz. Zwischen 1937 und 1940 wurden auch in Birsfelden (hier im Bild) und Muttenz Hafenanlagen gebaut und seither mehrmals erweitert. Bildquelle: Keystone / Theodor Struebin.
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Bild 8 von 11. 1986: Grossbrand Schweizerhalle. Nach einem Grossbrand im Basler Industriegebiet Schweizerhalle gelangten mit dem Löschwasser tonnenweise Chemikalien in den Rhein. Auf einer Länge von 400 Kilometern sterben tausende Fische und um die 150'000 Aale. Durch einen Farbstoff wurde das Wasser des Rheins rot. Heute hat sich der Rhein bei Basel von dieser Katastrophe erholt. Bildquelle: Keystone / Gardin.
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Bild 9 von 11. 1958: Havarie Birsigtal. Der Unfall des Schiffs Birsigtal war eine von mehreren Havarien in der Geschichte der Basler Rheinschifffahrt. Das Schiff kollidierte mit dem Pfeiler der mittleren Brücke. Bildquelle: Sozialarchiv / Hans Bertolf Sozarch.
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Bild 10 von 11. 1984: Rheinschiff Corona. Das Rheinschiff Corona wurde von der Strömung abgetrieben und rammt am Freitag, dem 28. September 1984 die mittlere Brücke und geht teilweise unter. Der Schiffsverkehr ist durch dieses Vorkommnis wochenlang blockiert. Bildquelle: Keystone / STR.
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Bild 11 von 11. 2025: Die Basler Rheinhäfen heute. Auch heute sind die Basler Rheinhäfen ein wichtiger Knotenpunkt für die europäische Binnenschifferei. Rund 10 Prozent aller Importe und Exporte laufen über die drei Rheinhäfen Kleinhüningen, Birsfelden und Muttenz. Bildquelle: SRF / Max Fischer.
Theoretisch könnte auch ein Autopilot durch das Basler Rheinknie lenken. Doch das ist schlicht zu gefährlich: «Der Autopilot sieht keine Hindernisse und reagiert nicht auf Sportboote oder Personen im Wasser. Sie fahren einfach stupide den vorgegebenen Kurs, das können wir nicht verantworten.»
Nach seiner Lotsenfahrt nimmt Leisenberg sein Velo wieder vom Schiff und radelt zügig den Rhein wieder hoch. Christian Lindner aus der Revierzentrale hat ihm schon das nächste Schiff angekündigt, welches er in Kürze «kapern» muss. Auch dieses nächste Schiff wird er sicher durch das Rheinknie manövrieren.
Kranführer im Terminal: Hier wird dreidimensionales Tetris gespielt
Das Frachtschiff, welches Steven Leisenberg gerade durchs Rheinknie manövriert hat, legt beim Terminal im Hafenbecken zwei an. Tim Hebestreit steht auf dem Vorplatz seiner Kranführerkabine. Am Terminal stapeln sich die Container und vom Logenplatz auf dem Kran sieht man an diesem klaren Herbstnachmittag in alle Himmelsrichtungen. «Ich habe das geilste Büro der ganzen Schweiz», sagt er mit glänzenden Augen. Doch dieses Büro kommt auch mit einer grossen Verantwortung.
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Bild 1 von 3. Grosse Schiffe ganz klein: Vom Kran oben wirken die Container und die Schiffe winzig. Bildquelle: SRF / Max Fischer.
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Bild 2 von 3. Höchste Konzentration in der Kabine des Krans. Tim Hebestreit darf sich keine Fehler erlauben. Bildquelle: SRF / Max Fischer.
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Bild 3 von 3. Fingerspitzengefühl ist angesagt. Aus 15 Metern Höhe, muss man teils «millimeterlen». Bildquelle: SRF / Max Fischer.
Kranführer Tim Hebestreit muss immer hoch konzentriert arbeiten. Kleinste Fehler können arge Konsequenzen haben. Spass darf aber trotz aller Sicherheitsvorkehrungen sein: «Manchmal mache ich mir einen Spass daraus, eine Ladung auf einen LKW zu setzen, ohne dass es der Fahrer merkt.» Der Gesichtsausdruck, wenn die Fahrer den heimlichen Vorgang bemerken, sei «unbezahlbar».
Hebestreit betritt die Kabine seiner «Eleanor». So nennt er den Kran liebevoll. Der Name entstand in Anlehnung an den Spielfilm «Gone in 60 Seconds» mit Nicolas Cage. Dort ist «Eleanor» ein Ford Mustang Shelby GT500.
Der besagte Ford Mustang wiegt aber im Vergleich zum Kran etwas weniger. Tim Hebestreit sitzt sicher im Stuhl des 700 Tonnen schweren und 140 Meter langen Stahlgeräts und zirkelt, mit viel Fingerspitzengefühl in schwindelerregender Höhe, die schweren Schiffscontainer von den Schiffen auf einen Sattelschlepper oder ins Zwischenlager am Terminal.
Tim Hebestreit zirkelt einen letzten Container haargenau auf einen Lastwagen. Der Fahrer hat nichts bemerkt und wirkt merklich erstaunt, als er aus der Führerkabine steigt. Tim Hebestreits Tag ist eigentlich schon perfekt.
Die eisernen Reserven am Basler Hafen
Doch dieser Container verlässt den Hafen nicht, sondern wird auf dem Lastwagen des immer noch leicht konsternierten Fahrers in ein Pflichtlager gebracht.
Über 100'000 Tonnen Nahrungsmittel werden in sogenannten «Pflichtlagern» eingelagert. Vor allem Getreide wie Gerste, Hafer und Mais und auch Kaffeebohnen werden gebunkert. Bis zu drei Jahre liegen die Vorräte in den Silos.
2021 wurden beispielsweise die Pflichtlager für Dünger angezapft, im Jahr 2018 musste man mit Treibstoff aus den Pflichtlagern überbrücken.
Ein solches Lager kann man sich vorstellen wie der Geldspeicher von Dagobert Duck. Nur hat ein Pflichtlager verschiedene Einheiten. Regelmässige Laborproben sind in diesen Einheiten Pflicht. Im schlimmsten Fall dringen Schädlinge ein. Diese müssen dann bekämpft werden, damit das Lagergut nicht kaputtgeht.
Die Fracht muss kontrolliert werden
Patrick Leunberger ist Gruppenchef vom Zoll Basel Mitte. Auch er hatte schon Begegnungen mit Schädlingen. Container voll mit Maden, Larven und Kakerlaken.
Container werden am Terminal kontrolliert. Die jeweiligen Terminals werden vorinformiert, dass eine Zollinspektion vorbeikommt. Entsprechend platzieren Tim Hebestreit und seine Kranführerkollegen den zu inspizierenden Container, damit die Zollbehörde ihrer Arbeit nachgehen kann. Die Zollinspektion öffnet den Container und entscheidet dann, was gemacht wird. So eine Kontrolle kann eine halbe Stunde dauern oder mehrere Tage.
Tim Hebestreit drückt seine Zigarette aus und begibt sich zurück in die Kabine seines Krans. Er setzt den vom Zoll geprüften Container auf den dafür vorgesehenen Sattelschlepper ab. Der Fahrer winkt ihm zu, Tim Hebestreit winkt zurück. Feierabend am Basler Rheinhafen.