Am 28. Januar 1995 lief auf Radio DRS1 der erste «Mundart-Briefkasten», in dem Fragen aus der Hörerschaft fachkundig beantwortet wurden. Seither ist der Strom an Fragen nie versiegt. Hier die wichtigsten Fakten zum Jubilar und Interessantes zum Schweizerdeutschen.
Wie ist der Briefkasten 1995 entstanden?
Die wöchentliche Mundartsendung «Schnabelweid» existierte seit 1991. Im Zentrum stand damals Dialektliteratur. Moderator Martin Heule und Redaktor Christian Schmid kamen dann auf die Idee, in der Sendung auch Fragen, die ihnen zugeschickt worden waren, zu beantworten. Die Worterklärungen wurden rasch beliebt und zum Markenzeichen.
Was wollen die Leute vor allem wissen?
Am häufigsten sind die «Woher kommt?»-Fragen. Die historische, geografische oder linguistische Herkunft eines Worts und vor allem auch von Familiennamen interessiert gewaltig. Oft kommen auch Fragen zur Dialektgeografie (wo sagt man wie?), zu «was ist richtig?» oder zur Grammatik.
Der Mundart-Briefkasten feiert 30 Jahre
-
Bild 1 von 7Legende: Martin Heule, Einstiger DRS-Moderator und Briefkasten-Mitbegründer. SRF
-
Bild 2 von 7Legende: Der Mundart-Briefkasten ist fast täglich am Radio zu hören. Früher konnten Gäste bei Live-Sendungen auch direkt vor Ort Fragen einbringen, wie in Sumiswald 2011 mit Moderatorin Anita Richner, Christian Schmutz und Christian Schmid. SRF
-
Bild 3 von 7Legende: Ein Chrüsimüsi von Fragen treffen auch nach 30 Jahren noch ein. Briefkasten-Werbekarten von 2014. SRF
-
Bild 4 von 7Legende: Markus Gasser (r.) und Christian Schmutz geben Moderator Joschi Kühne (l.) Antwort. Live-Briefkasten in Giswil 2014. SRF
-
Bild 5 von 7Legende: Christian Schmid, Christian Schmutz und Anita Richner beim Live-Briefkasten 2011 in Stans. SRF
-
Bild 6 von 7Legende: Live-Auftritt von «Dini Mundart» am Arosa Mundartfestival 2024. zVg, Tomm Gadient
-
Bild 7 von 7Legende: André Perler auf der Bühne am Mundartfestival 2024 in Arosa. zVg, Tomm Gadient
Was ist die häufigste Frage?
Wir haben nicht nachgezählt, aber nach «zwee Manne, zwo Froue, zwöi Chind», das auch im Berndeutschen am Verschwinden ist und dem viele Bernerinnen und Berner nachtrauern, wird sehr regelmässig gefragt.
Gibt es häufige Missverständnisse von Fragenden?
Ein Klassiker ist die vermeintliche Abstammung einer Familie und ihres Namens von den Hugenotten, den französischen Glaubensflüchtlingen aus dem 17. Jahrhundert. Meistens lässt sich ein solcher Familienmythos linguistisch nicht bestätigen. Oft trügt auch das Gefühl, ein Wort sei ganz typisch für eine Region. Zum Beispiel das Geleretli, das tatsächlich in den meisten Dialekten bekannt ist.
Wie haben sich die Mundarten in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
Sie machen alle Entwicklungen unserer Gesellschaft mit! Denn als Nummer-1-Kommunikationsform müssen sich unsere Dialekte anpassen, sonst können wir uns mit ihnen nicht mehr über alles austauschen. Die digitalen Sprachnachrichten haben den Dialekten gewaltigen Schub verliehen: Fast alle Jüngeren schreiben in Mundart.
Was beeinflusst die Dialekte am meisten?
Die Mobilität der heutigen Gesellschaft. Auch mediale, technologische und modische Einflüsse von anderen Dialekten, Standarddeutsch und Englisch. Aber oft betrifft dies nur den Wortschatz. Grammatik und Lautung bleiben ähnlich wie Mitte des 20. Jahrhunderts. Heisst: Wir erneuern ständig unseren Wortschatz, erkennen die dialektale Herkunft einer Person aber immer noch recht zuverlässig.
Was fasziniert uns an den Mundarten?
Unsere Dialekte brauchen wir täglich – wir alle sind sozusagen Spezialisten. Mundarten trotzen der Globalisierung – oder bereichern sie? Das Zusammenspiel von alten Ortsmundarten und neuen Dialekt-Entwicklungen sorgt für Spannung und Diskussionsstoff.
Ist die Deutschschweizer Sprachsituation einzigartig?
Dialekte gibt es überall. Speziell bei uns sind vor allem:
- Der Stellenwert der Dialekte. Anders als in den Nachbarländern würden wir auch einen Bundesrat auf Schweizerdeutsch ansprechen.
- Dass alle ihren Dialekt sprechen können und (meistens) von allen verstanden werden.
- Dass wir gewandt sind, Dialektvarianten zu decodieren. Das hilft auch beim Lernen von Fremdsprachen.
Ihre Frage an die Mundartexperten