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Politik und Sprache Warum wir Politikerinnen und Politiker (manchmal) nicht verstehen

In der Politik werden fachspezifische und deshalb oft schwer zu verstehende Sprachstile gepflegt. Aber wenn sie ihre Wählerschaft erreichen wollen, dann können Politiker*innen plötzlich viel einfacher reden.

«Die in Bern oben versteht man ja doch nicht!» Diesen Gemeinplatz hört man oft, wenn man über die Sprache von Politikerinnen und Politikern spricht. Aber selten wird darüber geredet, warum das so ist.

Eine mögliche Antwort ist, dass Politiker*innen, sprachwissenschaftlich gesehen, eine eigene soziale Gruppe sind, genau wie Jugendliche oder Rapper*innen: Solche Gruppen verbringen viel Zeit miteinander und haben spezielle Sprach-Codes entwickelt, einen sogenannten Soziolekt, der ausserhalb der Gruppe oft nicht verstanden wird.

Seriöse Politik

Aber natürlich ist Politik grundsätzlich eine oft komplexe Angelegenheit. Darum erstaunt es nicht, dass Politiker*innen manchmal in sehr komplexen Sätzen und mit vielen Fachbegriffen reden.

Politiksprache ist aber sowieso nicht einheitlich. Politiker*innen können verschiedene sprachliche Register ziehen – je nach dem in welchem Kontext und zu welchen Adressat*innen sie sprechen.

Verwaltungssprache

Innerhalb des Politikbetriebs wird oft das Register der Verwaltungs- oder Juristensprache verwendet. Wenn man Gesetze macht und anwendet, dann muss alles genau geregelt sein. Es soll möglichst keine Unklarheiten oder Schlupflöcher geben.

Deshalb ist hier eine exakte Wortwahl wichtig – auch wenn die Texte dadurch manchmal sehr dicht und schwer verständlich werden. Da wird es für viele schwierig mit dem Lesen.

Gesetzestexte vorlesen

Lustig wird es, wenn Politikerinnen und Politiker solche komplexe Gesetzes- oder Verwaltungstexte nicht nur lesen, sondern vorlesen müssen – besonders, wenn es um alltägliche und bekannte Dinge geht, die aber völlig verklausuliert umschrieben werden.

Komplexe Voten im Parlament

Nicht nur Gesetzestexte sind komplex, sondern auch die Voten der Parlamentarier*innen. Eine Analyse der Universität Zürich von 2019 hat ergeben, dass die (mündlichen) Reden von Schweizer Politiker*innen aller Parteien komplexer sind als die (schriftlichen) Texte der NZZ.

Und dies, obwohl die Redner*innen wissen, dass ihre Voten aufgezeichnet werden und in der Tagesschau gezeigt werden könnten. Von der Situation her sind sie im Parlament eben doch «unter sich».

«Arenasprache»

Wenn die Wählerschaft direkter adressiert wird, dann versuchen Politiker*innen in der Regel, in einfacheren, plakativeren Sätzen zu sprechen. So etwa in TV-Debatten wie der «Arena» auf SRF.

In den letzten Jahren konnte man sogar beobachten, dass Politiker*innen in medialen Debatten bewusst sprachlich eskalierten, um Aufmerksamkeit zu erlangen.

Adressat beeinflusst Sprachregister

Und es hat auch einen Einfluss auf die Sprache, ob man zum allgemeinen Fernsehpublikum spricht oder zur eigenen Parteibasis an der Delegiertenversammlung.

Politiker*innen jonglieren mal geschickter, mal weniger geschickt mit verschiedenen sprachlichen Registern – von der Verwaltungssprache bis zur Fäkalsprache.

Radio SRF 1, Mundartrubrik, 5.2.2021, 09:40 Uhr

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