Der Nahostkonflikt hat nun auch die Sportwelt erreicht. FC Bayern-Spieler Noussair Mazraoui hat mit einem pro-palästinensischen Instagrampost für Aufregung gesorgt. Der marokkanische Fussballspieler verbreitete ein Video, in dem den Palästinensern den Sieg gewünscht wird. Deutsche Politiker fordern jetzt seinen Rausschmiss. Gemäss Sporthistoriker Peter Engel zeigt dieser Fall einmal mehr: Das Verhältnis von Sport und Politik ist heikel.
SRF: Herr Engel, dürfen Sportlerinnen und Sportler politisch Stellung beziehen?
Peter Engel: In der westlichen Welt, wo freie Meinungsäusserung herrscht, sollte selbstverständlich sein, dass man sich äussern darf. Bei Sportlerinnen und Sportlern fordert man sofort den Rausschmiss oder einen Maulkorb.
Dieser Fall ist jedoch tatsächlich heikel, weil die westliche Welt eher auf der Seite von Israel steht, Mazraoui als Muslim jedoch mit anderen Muslimen sympathisiert. Er hat wohl zu wenig darüber nachgedacht, was für Konsequenzen das haben kann, wenn er sich öffentlich zum Nahostkonflikt äussert.
Wieso sorgt es für Unmut, wenn sich Sportlerinnen oder Sportler zu politischen Themen äussern?
Wenn sich Sportlerinnen und Sportler politisch äussern, kann das rufschädigend sein für den Verein. Darum gibt es Athletinnen und Athleten, die Verträge haben, die ihnen verbieten, öffentlich politisch Stellung zu beziehen.
Aber das Verhältnis von Sport und Politik ist allgemein heikel, weil ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht. Die Politik zieht grossen Profit aus Erfolgen im Sport, was auch mit nationalistischen Tendenzen zu tun hat. Sportliche Erfolge werden nationalistisch interpretiert. Beispielsweise, wenn die Schweizer Eishockeymannschaft im WM-Finale steht, lässt sich auch die Sportministerin oder der Sportminister blicken und teilt quasi mit, dass die Schweiz als Land für diesen Erfolg mitverantwortlich ist.
Welche Konsequenzen drohen Sportlerinnen und Sportler in solchen Fällen?
Ein bekanntes Beispiel ist Colin Kaepernick. 2016 ging der American Football-Spieler während der Nationalhymne auf die Knie als Protest gegen die rassistische Polizeigewalt in den USA. Er tat dies als einer der ersten Athleten. Für ihn hatte das jedoch schwerwiegende Konsequenzen. Nach seinem Kniefall schmiss ihn sein Verein raus und er fand keinen mehr, der ihn unter Vertrag nehmen wollte.
Gibt es heute andere Erwartungen an Sportlerinnen und Sportler von der Gesellschaft, eben, dass sie sich politisch äussern sollen?
Das würde ich nicht sagen. Aber es ist einfacher geworden, öffentlich seine Meinung kundzutun durch die sozialen Medien. Dabei gibt es aber auch die Gefahr eines riesigen Shitstorms.
Aber man muss auch anerkennen, dass so etwas Mut braucht. Wenn eine Ariella Kaeslin darüber spricht, dass sie Missbrauchsopfer wurde im Training, dann lässt das niemanden kalt. Es gab sogar gewisse politische Konsequenzen in der Schweiz, also dass besser darauf geachtet wird, dass solcher Missbrauch nicht stattfinden kann.
Das Gespräch führte Lisa Wickart.