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Moria in Flammen – was macht die Schweiz?
Aus Forum vom 17.09.2020. Bild: Keystone
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Flüchtlinge auf Lesbos Moria in Schutt und Asche: Macht die Schweiz genug?

Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos liegt in Schutt und Asche. Macht die Schweiz genug für die Flüchtlinge in Griechenland? Oder vernachlässigt sie ihre humanitäre Tradition? Die Diskussion in der Sendung «Forum».

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Es sind verstörende Bilder aus dem zerstörten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Das Lager ist nach dem Brand nicht mehr bewohnbar. Tausende von Flüchtlingen übernachten auf Strassen und Plätzen im Freien.

Das grösste Flüchtlingslager Europas ist seit Jahren überfüllt. Die Bedingungen sind katastrophal. Zuletzt lebten dort nach griechischen Angaben rund 12’600 Flüchtlinge. Das Lager ist auf 2800 Personen ausgelegt.

Schweizer Hilfe vor Ort

Die Schweiz leistet Hilfe vor Ort mit Decken, Zelten, Medikamenten und Personal. Weiter will die Schweiz rund 20 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus dem Lager in Lesbos aufnehmen. Sie hat in diesem Jahr bereits 52 minderjährige Asylsuchende aus Griechenland aufgenommen.

Macht die Schweiz genug für die Flüchtlinge in Griechenland? Oder vernachlässigt sie ihre humanitäre Tradition?

Sozialvorsteher Raphael Golta: «Die Städte sind bereit»

Bereits mehrmals haben acht Schweizer Städte, darunter Basel, Bern, Lausanne, Luzern und Zürich, vom Bund die Möglichkeit verlangt, Geflüchtete direkt aus Griechenland aufzunehmen. Der Zürcher Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) sagt: «Jetzt muss etwas geschehen. Die Städte sind bereit Flüchtlinge aufzunehmen. Sie können das. Sie haben es auch 2015 geschafft.» Der Bund müsse die Rolle der Städte neu denken.

Bundesrätin Keller-Sutter: «Die rechtliche Grundlage fehlt»

Für den Bundesrat steht die humanitäre Hilfe vor Ort im Vordergrund. Für das Angebot der Städte, sagt FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter, gebe es keine rechtliche Grundlage: «Es ist so, dass im Asylverfahren Personen über den Bund in die Schweiz kommen. Es ist nicht möglich, dass die Städte direkt Personen aufnehmen können.»

Kolonialhistoriker Toni Stadler: «Es geht um alle»

Kolonialhistoriker Toni Stadler war jahrelang für das IKRK, die UNO und das Eidgenössische Auswärtige Departement (EDA) tätig. Er leitete Flüchtlingslager in Thailand, Irak, Kambodscha, Angola und Ruanda. Das Angebot der Schweizer Städte kommentiert er so: «Man muss dabei aufpassen, dass solche Spontanaktionen nicht einfach beim Symbolischen bleiben. Es geht nicht um Einzelne, es geht um alle, die in der EU gestrandet sind.»

Die Schweiz ist seiner Meinung nach politisch zu wenig aktiv. Es brauche diplomatische Vorstösse, die auf die Ursachen der erzwungenen Migration abzielten.

Angespannte Lage in Lesbos

Bereits im Januar machten die Einheimischen auf Lesbos mit einem Generalstreik auf die Probleme aufmerksam. Nach fünf Jahren Flüchtlingskrise und Elend forderten sie die sofortige Ausweisung der Asylbewerbern auf den Inseln.

In den vergangenen Monaten versuchte die griechische Regierung, die überfüllten Flüchtlingslager auf Inseln wie Samos, Chios oder auch Lesbos zu entlasten, indem Flüchtlinge auf das griechische Festland gebracht werden.

Aktuell wird auf Lesbos ein provisorisches Zeltlager errichtet. «Alle Menschen müssen dorthin gehen. Nur so werden wir sie richtig versorgen können», erklärte der stellvertretende Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos im Athener Nachrichtensender Skai.

Viele der Flüchtlinge weigerten sich aber, dorthin zu gehen, sagt eine belgische Ärztin von «Ärzte ohne Grenzen» gegenüber Radio SRF 1. Sie befürchten ein «zweites Moria».

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