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Semesterstart «Wer studiert, verdient besser»: vier Studiums-Mythen im Check

Die Laptops sind aufgeladen, Bleistifte und Ohren gespitzt: Nach einer langen Sommerpause öffnen Schweizer Hochschulen wieder ihre Tore.

Damit beginnt für tausende von Studierenden ein neues Kapitel. Zeit, um mit gängigen Mythen rund ums Studieren aufzuräumen. Bildungsexpertin Regula Julia Leemann ordnet ein.

Regula Julia Leemann

Bildungsforscherin

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Regula Julia Leemann ist Bildungsforscherin und emeritierte Leiterin der Professur Bildungssoziologie an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz.

Mythos 1: «Studierende haben von der Praxis keine Ahnung»

Texte lesen, Daten erheben, Fälle interpretieren, Experimente durchführen, in der Natur beobachten, Ergebnisse verschriftlichen: «Je nachdem, was man studiert, ist doch genau das die Praxis, die im späteren Berufsleben erforderlich ist», sagt Bildungsexpertin Leemann.

«Praxis» als spezifische Erfahrung und Kompetenz werde leider im Alltag sehr verkürzt verstanden. «Viele Studiengänge haben Praktika integriert», sagt die Bildungsexpertin. So machen in der Schweiz rund vier von zehn Studierenden während ihrer Studienzeit ein Praktikum.

Hinzu kommt, dass fast ein Drittel der Studierenden neben dem Studium erwerbstätig ist – oft in Berufen, die nicht zum Studiumsinhalt passen. Eine Horizonterweiterung, meint Leemann: «So machen sie Erfahrungen, wie die Wirtschaftswelt oder soziale Institutionen ticken».

Mythos 2: «Heute studiert sowieso jede und jeder»

In der Schweiz absolviert etwa ein Drittel der 25- bis 34-Jährigen ein Studium an einer Universität, einer Fachhochschule oder einer pädagogischen Hochschule.

«Zu wenige», meint Bildungsexpertin Leemann: «Die Zahl der Hochschulabschlüsse sollte sich erhöhen, da wir vielerorts einen Fachkräftemangel haben – vor allem in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Ingenieurwesen, Management, Rechtswesen, Soziales und Pädagogik».

Ob sich jemand für ein Studium entscheidet, hängt laut Leemann stark davon ab, ob die Eltern bereits studiert haben: «Kinder von Eltern mit akademischem Bildungsabschluss erreichen rund doppelt so häufig einen Hochschulabschluss». Dies sei meistens bei Medizin- und Rechtswissenschaften der Fall.

Mythos 3: «Wer studiert, verdient besser»

«Stimmt», bestätigt die Bildungsexpertin: «Zwar gehe die berufliche Grundbildung nach wie vor mit guten Beschäftigungsmöglichkeiten einher, biete aber im Durchschnitt deutlich schlechtere Einkommenschancen als ein Hochschulabschluss».

Jedoch spielt es eine Rolle, was studiert wurde. «In Wirtschafts-, Verwaltungs- oder naturwissenschaftlich-technischen Berufen sind die durchschnittlichen Einkommen beispielsweise deutlich höher als in Sozial- oder Gesundheitsberufen.»

Mythos 4: «Es gibt zu viele Studierte – viele finden keinen Job»

Dies trifft nicht zu. «Die Erwerbslosenquote der Hochschulabsolventinnen und -absolventen ist praktisch null», sagt die Bildungsexpertin. Mit weniger als drei Prozent liegt sie tiefer als jene der gesamten Bevölkerung.

Zahlen des Bundes belegen zudem: Über 80 Prozent der Studierten besetzen ein Jahr nach Studienabschluss eine Stelle, die einen Hochschulabschluss erfordert. «Somit stimmen Bildungsniveau und die ausgeübte berufliche Tätigkeit in den meisten Fällen überein».

Zahlen und Fakten des Bundes

Radio SRF 1, Morgengast, 16.09.2024, 07:20 Uhr

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