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Sommerferien 2020 Ins Ausland reisen oder in der Schweiz bleiben?

Ferien im Ausland sind mit einem Risiko behaftet, Ferien im eigenen Land liegen im Trend. Viele folgen dem Appell von Bundesrat Ueli Maurer und verbringen ihre Ferien in der Schweiz.

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Die Ferienpläne der Schweizer wurden wegen des Corona-Virus' arg durcheinandergewirbelt. Während im März und April viele ihre Ferien stornierten oder mit Buchen zuwarteten, steigt nun mit den offenen Grenzen die Reiselust. Die grosse Frage: Wohin soll die Reise gehen? Ist es Zeit, die Schweiz zu entdecken oder soll es eine Auszeit am Meer sein?

Für Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern, ist klar: «Der Reiseentscheid ist auch daran gekoppelt, wie gross die Angst vor Corona ist. Wer ängstlicher ist, macht eher in der Schweiz Ferien. In der Regel sind aber Ferien in der Schweiz teurer.»

«Es wird Last-Last-Last-Minute gebucht»

Im Durchschnitt machen die Schweizer gemäss Bundesamt für Statistik pro Jahr drei Reisen. Nicht so in diesem Jahr. «Die Reisefreude wäre zwar da, aber viele trauen sich nicht. Es gibt zu viele Unsicherheiten», sagt Natalie Dové, Geschäftsleiterin Nussbaumer Reisen in Burgdorf.

Zwar verzeichnet der zweitgrösste Reiseanbieter der Schweiz, Hotelplan, aktuell eine steigende Nachfrage nach Badeferien am Meer. Gefragt seien Zypern, Griechenland, Mallorca und Südfrankreich, sagt Mediensprecherin Bianca Gähweiler. Aber: «Es wird Last-Last-Last-Minute gebucht», stellt sie fest.

Gleichzeitig stellt der Reiseanbieter eine verstärkte Nachfrage nach Ferienwohnungen- und Häusern in der Schweiz fest. Vom Genfersee über das Wallis und Berner Oberland bis hin zum Tessin und Graubünden. Viele Regionen versuchen Schweizer Gäste zu ködern. Sei es mit Gutscheinen, mit freien Fahrten in Bergbahnen oder Schiffen.

Die Städte kommen unter die Räder

Schwierig ist die Situation für die Städte. Die Stadt Luzern verzeichnet laut Tourismusdirektor Marcel Perren einen Rückgang von 90 Prozent der Logiernächte. Schweizer Touristen können den Ausfall von ausländischen Gästen nicht wettmachen.

Deutschschweizer Städte verstärken nun ihre Anstrengungen, um vermehrt Gäste aus der Romandie anzuziehen.

Liste der Corona-Risikoländer schafft Unsicherheit

Die Liste der Corona-Risikoländer, die der Bund veröffentlich hat, schaffe eine weitere Unsicherheit, stellt Reisefachfrau Natalie Dové fest. «Da ist die Angst vor einer Erweiterung der Liste.» Aktuell muss, wer eine Reise nach Schweden, in den Kosovo, nach Nordmazedonien oder Serbien unternimmt, bei der Rückkehr in Quarantäne.

Auf die Liste des Bundes haben die Reiseveranstalter mit Nervosität gewartet. Die Telefone liefen heiss. Im Fall von Schweden mussten die Kunden vor Ort informiert werden, heisst es bei Hotelplan.

«Schweden kann Sommersaison abschreiben »

In Schweden blieb der «grosse Aufschrei über die Schweizer Länderliste aus», stellt der freie Journalist Tobias Keller auf Anfrage von Radio SRF 1 fest. Der Tourismus in Schweden werde aber leiden. Nicht nur unter den Quarantäneauflagen der Schweiz und Deutschland, sondern auch unter den geschlossenen Grenzen zu Finnland, Norwegen und Dänemark. «Schweden kann diese Sommersaison touristisch abschreiben», ist Tobias Keller überzeugt.

Kein Familienbesuch auf dem Balkan

Die Quarantäneregelung des Bundes gilt auch für Serbien, Nordmazedonien und den Kosovo. Arben Bullakaj, St. Galler SP-Politiker mit Wurzeln im Kosovo, sagte am Dienstag in der Sendung «Rendez-Vous» von Radio SRF: «Das ist eine Enttäuschung, die Leute können ihre Familien nicht besuchen. Für die meisten fällt dieser Plan jetzt ins Wasser.»

Da auch Rückkehrende aus diesen Ländern zehn Tage in die Quarantäne müssen, verunmöglicht das für viele die Reise. Denn gerade Menschen der älteren und mittleren Einwanderergeneration arbeiten häufig in handwerklichen Berufen, auf dem Bau, in Fabriken, an der Kasse beim Grossverteiler oder als Busfahrer. Sie können nicht ins Homeoffice.

Gäste in der Sendung waren:

  • Natalie Dové, Vorstandsmitglied des Schweizer Reiseverbands und Geschäftsleiterin von Nussbaumer Reisen in Burgdorf
  • Jürg Stettler, Ökonom und Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern.

Radio SRF 1, 09.07.2020; 20:00 Uhr

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