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Vier(linge) Der Alltag der seltenen Familie Odermatt

Als sich bei Nancy Odermatt Vierlinge statt Zwillinge ankündigten, veränderte sich ihr Alltag stark. Ein grosses Familienglück mit Herausforderungen.

Vor fast einem Vierteljahrhundert wurde Nancy Odermatt beim Ultraschall überrascht. Erwartet hatte sie Zwillinge. Diese kamen in der Familie bereits vor. Meist überspringen Mehrlinge eine Generation, weshalb Zwillinge wahrscheinlich gewesen wäre. Was dann aber bei der Untersuchung nach 12 Wochen ans Licht kam: vier Herzschläge.

Ultraschallbild mit gelbstich. Vier Formen sind zu erkennen.
Legende: Wie es damals begann Das Ultraschallbild, das die Vierlinge ankündigte. zvg

2023 gab es gemäss Bundesamt für Statistik 1'206 Zwillingsgeburten, 12 Drillingsgeburten und nur je eine Vier- bzw. Fünflingsgeburt. Von den Letzteren beiden gab es in den Vorjahren 2022 und 2021 gar keine. Eine seltene Sache also. Speziell, wenn dies wie bei Nancy Odermatt ohne Hormontherapie geschieht.

Die Ankündigung von Leonie, Jantien, Annelou und Niels Odermatt war somit eine Überraschung. Die Vierlinge folgten zwei Jahre auf ihre ältere Schwester Jolein.

Im ersten Moment wussten Odermatts nicht recht, ob dies eine Freude oder eine Tragödie bedeuten würde. Die Unsicherheit verschwand jedoch nur einige Tage später. Blutungen setzten ein und mit ihnen die Überzeugung: «Das wäre schlimm, wenn etwas passieren würde», sagt die Vierlings-Mutter und ergänzt, «doch dann habe ich gefunden, doch, ich freue mich, wenn es vier gibt und das ist gut so», sagt Nancy Odermatt.

Die vier kamen dann im sechseinhalbten Monat zur Welt. Eine Frühgeburt per Kaiserschnitt, die glücklicherweise ohne Komplikationen verlief. Alle vier Kinder waren gesund.

Medizinische Hintergründe zu Mehrlingsgeburten

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Zwillinge sind in der Schweiz keine Seltenheit. Anders verhält es sich bei den übrigen, natürlich gezeugten Mehrlingsgeburten: Bei Drillingen beträgt die Wahrscheinlichkeit 1:7000, bei Vierlingen 1:600'000. Und Fünflinge sind ein ausserordentliches Ereignis, das nur einmal pro 50 Millionen Geburten natürlich auftritt.

Die Quoten für mehreiige Mehrlingsgeburten liegen deutlich höher, wenn künstliche Befruchtung und/oder eine Hormonbehandlung im Spiel sind. Früher wurden Frauen bei Fruchtbarkeitsproblemen oft hormonell überstimuliert und brachten – wenn sie auf natürlichem Weg schwanger wurden – Mehrlinge zur Welt. Auch die In-vitro-Fertilisation (IVF), die Befruchtung im Reagenzglas, erzeugte bis 2017 oft Mehrlingsgeburten. Das hing mit dem Schweizer Fortpflanzungsmedizingesetz zusammen, das die IVF früher sehr restriktiv regelte: Es durften maximal drei Embryonen entwickelt und diese mussten sofort in die Gebärmutter transferiert werden; Embryonen aufzubewahren, war verboten. Um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, wurde die «Dreierregel» dann auch meistens ausgereizt – was zur Folge hatte, dass oft Zwillinge oder Drillinge geboren wurden.

Doch dieser Kindersegen hat auch seine Schattenseiten: Mehrlingsschwangerschaften bergen Risiken für Mutter und die Kinder. So haben die Mütter häufig mehr Komplikationen als bei einer Einlingsschwangerschaft. Und bei den Kindern ist das Risiko deutlich erhöht, dass sie zu früh zur Welt kommen.

 Solche Nachteile sollten mit der Revision des Fortpflanzungsmedizingesetzes 2017 wegfallen: Seither dürfen pro Behandlungsversuch mit IVF bis zu zwölf Embryonen entwickelt werden. Das Gesetz erlaubt nun, Embryonen zu konservieren, und in der Regel wird pro Zyklus nur ein Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt. Die frühere «Begeisterung» über Mehrlinge ist heute dem Pragmatismus gewichen, dass Einlinge in der Regel die günstigeren Startbedingungen ins Leben haben als Mehrlinge.

Das grosse Familienglück kam auch mit Herausforderungen. So benötigte die Familie Odermatt nicht nur vier Kindersitze, sondern es kamen buchstäblich noch grössere Anschaffungen dazu: Grösserer Esstisch, grösseres Auto – allgemein wurde mehr Raum benötigt.

Sie hätten grosses Glück mit ihrem Haus gehabt. Es sei zwar alt, aber es hätte viel Platz, sodass sie sich dahingehend keine Sorgen machen mussten. Auch müsse man sich am Anfang nicht um alles gleichzeitig kümmern. Viele Einkäufe oder Expansionen kämen für die Vierlinge erst ab einem gewissen Alter hinzu.

Das Mittagsgespräch auf SF 1, 2001

Für Nancy Odermatt war ihre Familie wie jede andere auch. Am Herzen lag ihr besonders, die älteste Tochter Jolein genügend mit einzubeziehen. Gerade damit sie bei der Aufmerksamkeit um das Quartett nicht zu kurz kam. Auch auf die Vierlinge als Individuen einzugehen, legte die Familie besonderen Wert.

Bei der Erziehung habe man sicher auch nicht alles richtig gemacht, aber es habe insgesamt gut geklappt. Der einzige Punkt, der für Odermatts mit grösserem Stress verbunden war: die Zeit der Lehrstellensuche. Die Bewerbungen und Portfolios bei allen vier zur gleichen Zeit einzureichen, sei anstrengend gewesen. Gerade, wenn die Pubertät noch ein Thema war. «Das habe ich sehr streng gefunden, aber eben auch dort muss man mit jedem einzelnen schauen, wie weiter und wie wir es machen», sagt die Mutter.

Vier Kinder (ein Junge, drei Mädchen) in einer Reihe vor einem langen Geburtstagskuchen.
Legende: Viererkuchen für Vierlinge Niels, Jantien, Annelou und Leoni Odermatt an ihrem fünften Geburtstag mit einer Cremeschnitte. zvg

Die mediale Aufmerksamkeit bei Mehrlingsgeburten ist gross - damals wie heute. Früher wurden sie sehr oft von Publikationen angefragt. Odermatts war jedoch wichtig, die Kinder vor dem Medienrummel zu schützen: «Ich glaube, wir müssen den Kindern nicht das Gefühl geben, dass sie speziell sind - Sie sind auch nur Menschen. Deswegen müssen Sie nicht irgendwie berühmt oder anders sein als andere». Sie hätten jedoch auf die angenommenen Gastauftritte immer positive Reaktionen erhalten.

Radio SRF 1, 26.05.2025, 10 Uhr

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