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25 Jahre «Big Brother Schweiz» «Im Herzen konservativ»: Reality-TV ist ungebrochen erfolgreich

Die halbe Schweiz schaute vor 25 Jahren «Big Brother». Das Format löste einen Boom aus, der bis heute anhält.

«Bisch parat?», fragten die Rapper im Titeltrack zur ersten Staffel «Big Brother Schweiz». Und das Publikum war es: Vor 25 Jahren bekamen sie eines der erfolgreichsten Reality-TV-Formate.

25 Jahre «Big Brother Schweiz»

Die Sendung stiess auf Begeisterung. Reality ist bis heute ein Dauerbrenner: «Es ist die Freude am Trash – ich gucke irgendwas, worüber ich nicht gross nachdenken muss», begründet SRF-Kulturkritiker Enno Reins den Erfolg. Vor seiner Stelle bei SRF arbeitete er für «Big Brother Deutschland».

Gemäss Enno Reins hat die Freude am Trash auch etwas mit Voyeurismus und Schadenfreude zu tun. Christine Lötscher, Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich, sieht es ähnlich: «Klar hat es einen voyeuristischen Touch, und es hat auch damit zu tun, andere Leute abzuwerten. Aber für mich steht das Mitfiebern und die Neugier im Mittelpunkt.»

Reality-TV lebt von Diskussionen. Sei es offline oder in den Sozialen Medien.
Autor: Christine Lötscher Kulturwissenschaftlerin an der Uni Zürich

Der zentrale Punkt, weshalb Reality-TV heute noch funktioniere, sieht Lötscher aber im Diskurs über diese Formate: «Diese Formate leben von der Diskussion. Sei es in einem Reaction-Video auf Social Media oder bei einer Offline-Konversation mit der Kollegin über das Verhalten der Teilnehmer.»

Sender provozieren die Konflikte

Für solche Diskussionen braucht es Emotionen. «Alles, was einem dazu bringt, sich aufzuregen, funktioniert», sagt Christine Lötscher. «Ein Reality-Format braucht einen Cast, der Konflikte erzeugt», meint auch Enno Reins.

Natürlich schneidet man ein solches Format so, dass der Spass und der Konflikt am grössten ist. Es ist ja kein Dokumentarfilm.
Autor: Enno Reins SRF-Filmexperte

Wichtig ist aber auch, dass es nicht nur Streit gibt, meint Enno Reins: «Es braucht Leute, die sich näher kommen. Sex in so einem Format ist immer noch eine grosse Sache, auch wenn meist nur harmlose Infrarotaufnahmen zu sehen sind.» Grundsätzlich wolle man eine Geschichte erzählen. Dafür schneide man die Sendung so unterhaltsam wie möglich – «es ist ja kein Dokumentarfilm». Dies führt wiederum zu mehr Partizipation und Diskussion.

Reality-TV ist konservativ

Seit 2021 gibt es in Deutschland das Trash-Format «Princess Charming», bei dem homosexuelle Frauen die «Liebe ihres Lebens» finden können. «Reality-TV lebt davon, aktuelle Themen aufzugreifen und zu diskutieren. Dadurch wird auch eine neue Zielgruppe erreicht», sagt Christine Lötscher.

Doch am Ende suchen die Teilnehmenden immer nach der Liebe ihres Lebens – oft in Form einer monogamen Beziehung. Dies sei dann wieder konservativ.

Geldverdienen mit Reality-TV

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Für Reality-Formate gilt, wie für jede Sendung: Ist sie erfolgreich, wird mehr Werbung gebucht.

Durch Call-Ins der Zuschauerinnen und Zuschauer bei Votings wird weiteres Geld generiert.

Ausserdem: «Die meisten Reality-Formate sind billiger als eine Serie oder ein Spielfilm, da man kein Drehbuch oder Schauspieler braucht. Zudem kann ich mit einem Reality-Format eine grössere Sendestrecke füllen», sagt Enno Reins.

Auch bei altgedienten Sendungen wie «Germany’s Next Topmodel» (läuft seit 2006) versuchen die Macher, mit der Zeit zu gehen, indem sie beispielsweise auch Plus-Size-Models zulassen. Laut der Kulturwissenschaftlerin Christine Lötscher hat sich das Konzept jedoch kaum verändert: «Es ist etwas diverser geworden. Aber die Grundidee, dass Schönheit ein absoluter Wert ist und schöne Menschen besser und erfolgreicher sind, bleibt.»

Kandidaten sind das Kapital der Macher

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Bild von Evelyn Burdecki
Legende: Ein Beispiel für erfolgreiches Realty-Management: Evelyn Burdecki. Bekannt wurde sie 2013/14 durch «Take Me Out». Danach nahm sie unter anderem bei «Promi Big Brother» und bei «der Bachelor» teil. RTL/Ayra Shirazi

Kandidaten, die beim Publikum ankommen, sind bares Geld. Sie werden in anderen Reality-Formaten und Shows eingesetzt. «RTL macht das sehr gut. Mit dieser Strategie kreieren sie ihre eigenen Reality-Stars.»

Das liegt gemäss Christine Lötscher vor allem daran, dass die TV-Sender und Streaminganbieter kein Risiko eingehen wollen: «Bei Reality-Formaten geht es darum, auch das konservative Publikum abzuholen und ein bisschen zu überraschen.» Auch wenn die Sendungen ihr konservatives Grundmuster beibehalten, müssen sie laut der Kulturwissenschaftlerin regelmässig aktuelle Themen aufgreifen, um relevant zu bleiben.

Auch Streamer setzen auf Reality

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Foto von «too hot to handle: German»
Legende: Die Teilnehmenden der Netflix-Reality-Show «too Hot to Handle: Germany». Netflix/Paul Hepper

Streamingplattformen wie Netflix (u. a «to hot to handle») und Amazon Prime (u. a. «last one laughing») bringene eigene Formate raus, wodurch ein umkämpfter Markt noch umkämpfter wird.

«Auf der einen Seite führt dies zu mehr Diversifizierung, auf der anderen Seite aber auch dazu, dass ein funktionierendes Konzept ewig durchgenudelt wird,» sagt Kulturwissenschaftlerin Christine Lötscher.

Radio SRF 3, 03.09.2025, 06:15 Uhr

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