Es war «unser Sommermärchen». Nun steht der Winter vor der Türe. Konnte die Schweizer Fussballliga von der EM-Euphorie profitieren?
Die Entwicklung der Zuschauerzahlen
«Wir spüren den Effekt der EM», sagt Christian Künzli, CEO von GC Frauenfussball. Aber es sei nicht so, dass jetzt plötzlich 2000 Fans am Spielfeldrand stünden. «Wir hatten letztes Jahr rund 350 Zuschauer, jetzt sind wir bei 500.» Das sind immerhin rund 150 Fans mehr pro Heimspiel.
Im Herbst sei die Aufmerksamkeit wieder abgeflacht. Doch es käme sehr drauf an, gegen wen man spiele, und wo. Im «grossen Stadion» – oder in der Agglomeration.
Wer hätte gedacht, dass wir einst vor 1700 Zuschauenden spielen würden?
Alle angefragten Clubs hatten einzelne Highlight-Spiele. Zum Saisonauftakt des FC Basel kamen 6000 Fans, sagt Fabian Sanginés, Leiter Frauenfussball beim FCB. Doch das sei noch kein Selbstläufer. Es gab auch Spiele mit nur 300 Personen. «Man muss die Leute glustig machen, dann kommen sie. Als es gratis Popcorn für Kinder gab, kamen 1300.»
Doch man dürfe das Interesse nicht nur anhand von Ticketverkäufen messen. Seit der EM würden sie viel öfter auf die Resultate der Frauenteams angesprochen. Ein Zeichen dafür, dass die Akzeptanz gestiegen ist.
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Bild 1 von 2. Einmarsch der Frauen-Nati: volle Ränge im Frühsommer – damals an der Women's Euro 2025. Bildquelle: Reuters / Piroschka Van de Wouw.
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Bild 2 von 2. Einmarsch zweier Superleague-Teams: weniger volle Ränge Ende August. Der FC Basel und der FC Aarau Frauen vor dem Meisterschaftsspiel im Joggeli. Bildquelle: Keystone / Urs Flüeler.
«Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen», findet Fränzi Schild, die Gesamtverantwortliche der YB Frauen. «Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass wir einst vor durchschnittlich 1700 Zuschauenden spielen würden?» Aber klar, wer erwartet habe, dass es so weitergehe wie an der EM, der sei enttäuscht.
Die Eventisierung des Frauenfussballs
Die Verantwortlichen mussten realisieren: Der Fussball alleine bringt die Massen nicht in die Stadien. Es braucht einen zusätzlichen Effort.
Es braucht ein Rahmenprogramm – mehr als die 90 Minuten auf dem Rasen.
«Wenn wir wirklich viele Leute ins Stadion locken wollen, dann braucht es irgendetwas Spezielles», sagt Schild. Fussball, Bier und Wurst reichten bei einem Match der Frauenliga nicht. Das Zielpublikum sei ein anderes.
«Es sind junge Familien und Kinder, die ein Fussballspiel in sicherer Umgebung sehen wollen», sagt Christian Künzli von GC. «Wir wollen für diese Leute ein Erlebnis schaffen.»
Wenn es bei potentiellen Sponsoren darum geht, abzudrücken, dann hapert es meistens.
«Wichtig ist, dass man ein Rahmenprogramm bietet, dass weiterführender ist, als die 90 Minuten auf dem Rasen», erklärt Sanginés vom FCB. «Torwandschiessen ist beliebt, oder dass Kinder die Startaufstellung durchsagen dürfen.»
Sorgenkind Sponsoring
Die Euphorie auch in Geld umwandeln – das war eine weitere Hoffnung im nationalen Frauenfussball. Nach der EM folgte die Ernüchterung. «Im Grundsatz finden sie den Frauenfussball alle toll», so Künzli von GC. Er habe bei hunderten von Firmen angeklopft: «Wenn es aber darum geht, abzudrücken, dann hapert es meistens.»
Der grosse Unterschied aus Sponsorensicht: Bei der EM hat die ganze Welt zugeschaut, in der nationalen Liga nicht. Mit der gleichen Sichtbarkeit im Fernsehen kann man da nicht punkten. «Wir können nicht dieselben Pakete verkaufen, wie bei den Männern», sagt Sanginés vom FCB. Zielgruppe und Sponsoren müssen zusammenpassen.
Dies sei aber nicht der einzige Grund, weshalb man den EM-Effekt noch nicht 1:1 im Kässeli spüre. Viele Firmen hätten ihr Budget schlicht schon aufgebraucht. «Und wir konnten auch nicht mehr die attraktivsten Gegenleistungen bieten», sagt Schild von YB. «Einen Trikot-Sponsor kann man nicht einfach wechseln.»
Sie ist überzeugt: «Das Sponsoring-Potential ist noch nicht ausgeschöpft. Vom Schwung der EM werden wir mit zeitlicher Verzögerung noch profitieren.»