Noch nie wurde an einer Fussball-EM der Frauen so oft gejubelt wie 2025 – 106 Tore, ein neuer Rekord. Im Schnitt fielen fast 3,5 Treffer pro Spiel, mehr als je zuvor. Die Chancenverwertung erreichte mit fast 17 Prozent ein neues Hoch, und auch die Passquote lag mit 79 Prozent so hoch wie noch nie.
Was früher mit einem geübten Blick und etwas Bauchgefühl erfasst wurde, ist heute datenbasiert messbar – und zwar in Echtzeit. Doch wie gelangen diese Informationen eigentlich direkt zum Fernsehkommentator? Und wie verändert das die Art, wie Spiele begleitet werden?
Wir haben bei SRF-Kommentator Sascha Ruefer und Datenexperte Donat Roduner nachgefragt – und zeigen, wie aus Zahlen Geschichten werden.
Wie kommen die Live-Daten zum Kommentator?
Während des Spiels werden unzählige Informationen gesammelt: Wer schiesst von wo? Mit welchem Fuss? Wie wurde angespielt? Wie hoch ist die Chance, dass dieser Schuss ein Tor wird? Die Firma Stats Perform/Opta ist offizieller Datendienstleister der Super League und liefert Zahlen in Echtzeit – direkt an die Kommentatoren.
Als ich 1998 anfing, war man noch eine Art Papst. Was man sagte, wurde geglaubt.
Drei Personen erfassen während einer Partie per Tastatur und Maus jedes Detail – anhand der TV-Bilder. So entstehen Tausende Datenpunkte pro Spiel, die dann zum Beispiel über den Dienst «Opta Live» direkt ins Kommentatoren-Tool fliessen.
Der Kommentator ist heute kontrollierbar
Kommentator Sascha Ruefer erinnert sich an andere Zeiten: «Als ich 1998 anfing, war man noch eine Art Papst. Was man sagte, wurde geglaubt.» Heute sei das anders: «Mit der Datenflut und dem Second Screen – also der Möglichkeit, auf dem Sofa gleichzeitig Daten aufs iPad zu holen – sind die Zuschauer oft einen Schritt voraus. Man kann nicht mehr einfach behaupten, jemand sei der Beste – ohne Zahlen im Rücken.»
Doch nicht jede Zahl bringt Erkenntnis. Ruefer betont: «Einfach zu sagen, das war sein achtes Saisontor, reicht nicht. Es braucht Kontext. Zum Beispiel: Noch nie hat er in einer Saison so viele Treffer erzielt.» Daten sollen den Kommentar bereichern – nicht überladen. «Man muss aufpassen, dass man mit der Statistik nicht noch mehr Fragen aufwirft, als man beantwortet.»
Ein Datenfakt muss vom Hocker hauen
Donat Roduner, leitender Sportdatenjournalist bei Stats Perform, liefert die Daten nicht nur, er bewertet sie auch. «Wir schauen vor dem Spiel: Was ist statistisch spannend? Gibt es Auffälligkeiten, Serien, Überraschungen? Wenn ein Fakt nichts auslöst, schicken wir ihn nicht zum Kommentator. Der muss zünden.»
Neben Basisdaten wie Ballbesitz oder Passquote gibt es längst komplexere Metriken: etwa xG-Werte oder Sprints mit GPS-Tracking. Doch auch Roduner warnt: «Die Datenbandbreite wird zwar immer grösser, aber sie bringt nur etwas, wenn man sie richtig einsetzt – also mit Aussagekraft und Mehrwert.»
Die Kunst der Selektion
Was zählt, ist Relevanz. Kommentatoren und Datenjournalisten müssen filtern: Was hilft, um das Spiel besser zu verstehen? Was interessiert das Publikum? Ruefer fasst zusammen: «Wenn ich bei einer Info das Gefühl habe, das würde mich selbst nicht flashen – dann lasse ich sie weg.»
Fussballdaten sind heute fester Bestandteil jedes Kommentars. Sie können Einordnungen liefern, Diskussionen befeuern und Aussagen untermauern. Aber wie bei jeder guten Taktik gilt auch hier: Das Timing und die Dosierung entscheiden über den Erfolg.