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Jahresbericht Ombudsstelle Wegen Corona und Ukraine: Beanstandungswelle reisst nicht ab

Über 1100 Beschwerden gingen letztes Jahr bei der Ombudsstelle der SRG ein. SRF berichte zu regierungstreu, zu wenig über Demonstrationen der Massnahmengegnerschaft und verteufle Impfskeptiker. Mit dem Ukraine-Krieg hat sich der Fokus der Beschwerden nun verlagert, sagt Ombudsmann Schöbi.

Herr Schöbi, Sie haben in der Co-Leitung der Ombudsstelle zusammen mit Esther Girsberger soeben Fazit zur Berichterstattung von SRF im Jahr 2021 gezogen. Sie schreiben in Ihrem Jahresbericht: «Die Welle der Beanstandungen reisst nicht ab.» Worauf ist diese Welle zurückzuführen?

Kurt Schöbi: Die Aussage ist im Kontext eines Zeitraums von vielleicht fünf Jahren zu sehen. Nachdem die Zahl im Jahr 2020 aufgrund von «Corona» regelrecht explodierte, hofften wir, dass sich diese wieder dem Niveau von 2018 annähern würde. Das ist so nicht eingetroffen. «Corona» war auch 2021 weiterhin Thema. Mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt das Publikum nun ein neues Thema. Und so reisst auch die Welle an Beanstandungen nicht ab.

«Corona» und die Pandemie dominierten 2021 wie schon im Vorjahr die Berichterstattung von SRF und so auch die Zahl der Beanstandungen. Was wurde denn dazu konkret beanstandet?

In erster Linie die Berichterstattung von SRF zu den Schutzmassnahmen – inwiefern diese gerechtfertigt sei. Weiter beschäftigte auch die Frage des Impfens. Insbesondere wurde diskutiert, ob SRF Aufrufe entsprechender Impfkampagnen abbilden darf, ohne darauf hinzuweisen, dass allfällige Nebenwirkungen noch nicht abschliessend geklärt seien. Impfskeptische Gruppierungen warfen SRF vor, zu staatsnah zu berichten. Auch würde dem Bundesrat zu viel Platz im Programm eingeräumt. Das würden beispielsweise auch die zahlreichen Live-Übertragungen der Point-de-Presse des Bundes und Pressekonferenzen des Bundesrates zeigen. Wobei die Ombudsstelle den Programmauftrag von SRF gerade in diesem Punkt als vorbildlich erfüllt sieht – als Service public.

Als Ombudsstelle beobachten Sie das Programm von SRF und beurteilen die Beanstandungen im Sinne einer Qualitätskontrolle. Welches Zeugnis stellen Sie SRF und seiner Berichterstattung für 2021 aus?

Grundsätzlich ist unsere Einschätzung, dass SRF mehrheitlich – gerade auch in Bezug auf «Corona» und die Pandemie – ausgewogen, vielfältig und auch umfassend berichtet hat. Das sieht auch ein Grossteil der Bevölkerung so, wie Umfragen und auch das «Jahrbuch Qualität der Medien» zeigen. Die Beanstandungen stammen entsprechend vor allem von dem Teil der Bevölkerung, der mit SRF nicht zufrieden ist. Das ist eine Minderheit, die sich dann mit Beanstandungen bei uns Gehör verschafft.

Lässt sich sagen, wer sich da bei Ihnen gemeldet hat? Sie schreiben in Ihrem Jahresbericht auch von «regelmässigen Kunden» der Ombudsstelle?

Was wir feststellen ist, dass die Berichterstattung von SRF – gerade zu «Corona» – von verschiedentlichen Vereinen, Gruppierungen, Organisationen sehr genau und professionell beobachtet wird. Und dass diese Organisationen dann organisiert reagieren. Das spüren wir auch bei anderen Themen wie der Energiepolitik, der Landwirtschaft oder der 5G-Mobilfunktechnologie. Hier existieren Netzwerke, die professionell aufgestellt sind und sich dann auch entsprechend bei uns melden.

Seit Ende Februar und dem russischen Angriff auf die Ukraine blickt die Welt und mit ihr auch SRF auf den Ukraine-Krieg. Zeigt sich das auch in den Beanstandungen, die bei Ihnen eintreffen?

Ja, das widerspiegelt sich auch in den Fällen. Die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg hat bei uns vor allem in den ersten zwei, drei Wochen zu vielen Beanstandungen geführt. «Corona» ist aktuell tatsächlich kein Thema mehr. Wobei anzufügen ist, dass der Beginn des Ukraine-Krieges auch mit dem Ende der Schutzmassnahmen zusammenfällt. Dieser Fokuswechsel ist so also auch nachvollziehbar. Insgesamt handelt es sich um rund hundert Beanstandungen. Diese Welle flacht nun aber wieder ab. Das könnte auch damit zu tun haben, dass SRF in seiner Berichterstattung sehr sorgfältig vorgeht. Es wird beispielsweise von «mutmasslichen» Ereignissen gesprochen. Oder wenn Tatsachen dargestellt werden, liefert SRF Hintergründe zur Quellenlage, wie beispielsweise bei den Gräueltaten von Butscha . Das wird von der Bevölkerung auch entsprechend wahrgenommen.

Gibt es schon eine Tendenz in Ihrer Beurteilung zu den Beanstandungen bezüglich der Berichterstattung von SRF zum Ukraine-Krieg: Werden diese vermehrt abgelehnt oder gutgeheissen?

Sie werden vermehrt abgelehnt, weil die Beanstandungen hauptsächlich von Personen kommen, die oftmals eine direkte Verbindung zu Russland haben. Sie betrachten die Berichterstattung von SRF deshalb grundsätzlich als einseitig, oder sogar als Lüge. Diese Personen sind überzeugt, dass das, was sie von russischer Seite hören, sehen und lesen, richtig ist. Entsprechend argumentieren sie. Uns werden auch Beanstandungen zugesandt, denen Screenshots von Meldungen der russischen Botschaft angehängt sind, womit die Berichterstattung von SRF widerlegt werden soll. Solche Beanstandungen weisen wir entschieden zurück, versuchen, darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Meldungen um Propaganda handelt und wir hier sicher nicht einfach sagen: Jawohl, Sie haben recht, das ist schon die Wahrheit.

Vor einem Jahr hatten Sie im Jahresbericht zum Jahr 2020 die Hoffnung geäussert, die Welle der Beanstandungen könnte nach der Pandemie wieder abreissen. Dem war für das letzte Jahr nicht so. Wie blicken Sie heute in die Zukunft?

Ich glaube, dass Beanstandungen zu «Corona» nicht mehr in dem Masse eintreffen werden. Wir hoffen natürlich, dass das mit dem Ukraine-Krieg auch bald der Fall sein wird. Wenn nicht wieder ein neues Thema auftaucht, das die Bevölkerung aufschreckt, dann gehen wir davon aus, dass die Flut der Beanstandungen zurückgeht. Wenn auch nicht mehr auf das Niveau von vor der Pandemie, da wir auch feststellen, dass die Beanstandungen grundsätzlich zunehmen: Bezüglich Ausgewogenheit der Berichterstattung, aber auch was die Gefässe anbelangt – beispielsweise die Online-Berichterstattung oder Social Media. Und das ist auch gut so, in dem Sinne, dass es ja auch die Funktion oder die Idee der Ombudsstelle ist, dass man sich mit etwas, mit dem man nicht zufrieden ist, bei uns melden kann und soll.

SRF 4 News, 05.04.2022, 18:00 Uhr

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