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40 Jahre The Young Gods Vulkanausbruch in Düdingen

Bad Bonn, Düdingen. Wo zur Hölle das genau ist, ist sekundär. Was zählt: Die legendären Schweizer Industrial-Pioniere The Young Gods starten hier im Heimatkanton ihre Europatour und überwältigen. Auch Jimi Hendrix ist irgendwie dabei.

«Die Musik der Young Gods gleicht einem Vulkan», sagt Sänger Franz Treichler im Videointerview (oben eingebettet). Und so fühlt sich ihr fünftes Konzert an der Bad Bonn Kilbi, dem notorisch ausverkauften Indie-Mekka der Schweiz, auch tatsächlich an. Die Eruptionen kommen in Schallwellen. Sie bauschen sich auf, aus den repetitiv treibenden Rhythmen von Schlagzeuger Bernard Trontin. Jagen aus den Fingern auf den Sampler von Cesare Pizzi und zerfransen die Membrane der Speakertürme.

Treichler, Pizzi, Trontin - so die Zauberformel der Young Gods 2025, die mit ihrem neuen Album «Appear Dissapear» hier in Düdingen sowas wie die Feuerprobe halten, um damit demnächst durch Europa zu touren. Die Probe wird bestanden, das Feuer brennt. Wortwörtlich sogar: Kurz vor dem Auftritt des göttlichen Headliners wurde auf dem Kilbi-Gelände das obligate Lagerfeuer entfacht, dessen Lodern sich nun im schwarzen Bassdrumfell des Schlagzeugers Trontin spiegelt.

Alt und Neu

Rechts vom Schlagzeug windet sich Franz Treichler hinter dem Mikrofon. Er schiesst zu Boden, flattert mit den Armen und tanzt seinen ikonischen Schamanentanz, den er schon seit 40 Jahren zelebriert. Auch hier passt der Vulkan: Treichlers 63 Jahre machen sich höchstens an seinem unscheinbaren Äusseren bemerkbar. Innerlich kocht der Rockstar.

In der Songauswahl verweben die Young Gods gekonnt Geschichte und Moderne. Neue Songs fliessen nahtlos in alte Hits wie «Gasoline Man», «The Night Dance» oder «Skinflowers» über und befördern das Kilbi-Publikum in Ekstase.

Drogen und Mythen

Ende 1980er-Jahre spielten sich die Young Gods auf die Frontseiten der grössten britischen Musikzeitschriften und in die Herzen noch grösserer Stars. Von David Bowie bis U2, alle lieben den brachialen Sound der Westschweizer.

Klar waren zeitweise auch Substanzen im Spiel
Autor: Franz Treichler The Young Gods

In den Neunzigern wurden sie zum Mythos, hüten sich gekonnt vor Komfortzonen und wachsen damit bis heute wiederholt über sich hinaus. «Klar waren zeitweise auch Substanzen im Spiel», so Franz Treichler – aber die spannendste Droge tragen wir in uns selbst: «Unser Sound suggeriert einen Rauschzustand, ohne Drogen zu nehmen.»

Woodstock in Düdingen

In Düdingen bleibt es nicht nur beim Rausch. Kurz vor der Zugabe widmet Franz Treichler «den Kindern in Gaza» einen Moment und spielt die Schweizer Nationalhymne. Solo, mit schwer verzerrter Gitarre, ähnlich verzogen und verbogen wie 1969 Jimi Hendrix in Woodstock das US-Pendant «The Star Spangled Banner» anstimmte.

Franz Treichler The Young Gods
Legende: Treichler oder Hendrix? Der Schweizerpsalm verrät, dass wir doch nicht in Woodstock sind. Noëlle Guidon

Die Referenz zum wohl berühmtesten politischen Gitarrensolo der Rockgeschichte ist zwar gut gemeint, steht an diesem Konzert aber etwas quer in der Landschaft und wird bestimmt nicht gleichermassen in die Geschichtsbücher eingehen, wie die Blaupause von Hendrix.

Heimkommen und Fortgehen

Apropos Herkunft: Die Young Gods definieren sich gern als Genfer Band, obwohl sie ihre Wurzeln im Kanton Freiburg hat. Bad-Bonn-Kilbi-Mastermind Daniel «Duex» Fontana spitzt zu: «Ohne The Young Gods, kein Fri-Son – ohne Fri-Son, kein Bad Bonn».

Die Show ist auch ein Heimkommen, an einen Ort, den sie geprägt haben und der sie über die Jahre prägte.

Die offizielle «Appear Disappear»-Tour startet Mitte Oktober in Genf.

Mehr Highlights von der Bad Bonn Kilbi 2025 am Dienstag, 09. September 2025 ab 20:00 Uhr im Sounds! auf SRF 3.

Claudio Landolt

Musikjournalist

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Claudio Landolt arbeitet für SRF senderübergreifend als Musikjournalist mit einem Faible für Popkultur und Experimentalmusik. Er ist Teil der Sounds! Redaktion und fühlt sich auch vom Klang gurgelnder Radiatoren, dem klickenden Rhythmus von Elektrozäunen oder wabernden Regenschirmmembranen angesprochen.

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SRF 3; 05.09.2025; 13:15 Uhr

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