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Billie Eilish & Co. Pop ohne Pomp: Die neue Zurückhaltung in der Mainstream-Musik

Ein bisschen Elektronik, ein sparsam eingesetztes Piano und ein Hauch von einer Stimme reichen, um Hallen zu füllen: Die 17-jährige Billie Eilish erobert mit minimalistisch produzierten Popsongs den Mainstream. Weshalb klingt Popmusik zurzeit so aufgeräumt und ausgedünnt? Ein Erklärungsversuch.

Es kommt bestimmt nicht von ungefähr. Wir leben in einer Welt der Überfülle, auch was die Möglichkeiten der Musikproduktion angeht. Fast alle tragen heute Aufnahmestudios in Form von Smartphones in ihren Hosentaschen mit sich herum.

Du brauchst den satten Klang eines Steinway-Flügels? Oder einen dieser knackigen Drummaschinen aus den 80ern? Vielleicht sogar ein vollbesetztes Sinfonieorchester, das deinen Song noch grösser macht? Easy: Es gibt Software dafür.

Wenn alles plötzlich einfach so zu haben ist, wird die Leere plötzlich reizvoll. Und weil sich Popmusik antizyklisch entwickelt, feiert sie gerade jetzt den Verzicht auf Pomp.

Zurückhaltung als Haltung

Dieser aufgeräumte Minimalismus ist nichts Neues, höre ich Musikkenner rufen: Künstler wie James Blake, The XX oder die Sleaford Mods zelebrieren die ausgedünnte Musikproduktion doch schon lange. Ganz zu schweigen von den Minimalisten der 1960ern.

Stimmt. Die alternative Musik kennt den Reiz der Reduktion. Aber hier geht's um den Pop-Mainstream. Und in dieser Galaxie wurde in den letzten Jahrzehnten vorwiegend gross produziert, dicht instrumentiert und rigoros aufgeblasen. Und plötzlich scheint auch im Mainstream die Zurückhaltung den Ton anzugeben.

Beispiel: Die britische Singer-Songwriterin Freya Ridings eroberte mit ihrer Single «Lost Without You» die Charts.

Mach mal Pause

Die Magie spannender Musik liegt doch eigentlich genau darin: in der kunstvoll eingesetzten Stille. In den wohl gesetzten Pausen. Oder anders gesagt, dann, wenn immer nur so wenig tönt, dass wir die Stücke atmen hören. Dann, wenn uns der kleine, beiläufige Refrain klein und fein in den Gehörgängen nachhallt und genügend Platz hat, um zum ausgewachsenen Ohrwurm zu werden, den wir plötzlich nicht mehr hergeben wollen/können.

Beispiel: Nemo spielt in «5i uf de Uhr» mit extremer Reduktion.

Splitternackte Gefühle

Ein weiteres Beispiel ist Julia Michaels Song «Issues». Er kommt mit ganz wenig aus. Ein Fingerschnippen hie und da, eine Basslinie und ein paar zurückhaltende Streicher reichen, um Michaels' Stimme das musikalische Schaufenster zu zimmern.

Diese bewusste Reduktion ist letztlich auch eine inszenierte Nahbarkeit. Wer weiss, vielleicht kann auch Lady Gagas «Real-Life»-Doku auf Netflix für den Trend mitverantwortlich gemacht werden: Ein Mainstream-Popstar legt seine schöne Maske ab, tritt von der hohen Bühne und setzt direkt vor ihren Fans einen Striptease der Gefühle in Szene.

Im Trap-Modus

Woher die Welle kommt? Eine weitere mögliche Antwort: aus der Trap-Musik und einigen musikalischen Wegbereitern. Trap ist der Inbegriff der ausgedünnten popmusikalischen Coolness. Zugegeben, dabei handelt es sich genaugenommen auch um eine Subkultur, aber eine millionenfach angeklickte.

Um Popmusikgeschichte zu schreiben, reicht dem Trap-Genre ein spröder Beat aus ganz viel Bass und ganz wenig Hi-Hat, gepaart mit möglichst beiläufig ins Mik gerappten Phrasen. Oft vorgetragen mit dieser gelangweilten Emo-Schwere im jugendlichen Blick. Fast so, als spielte man die Hauptrolle in einem Videoclip von Billie Eilish.

Beispiel: US-Rapper XXXTentacion, der vergangenes Jahr im Alter von nur 20 Jahren ermordert wurde, landete mit «Moonlight» einen riesigen YouTube-Hit.

PS: Ach ja, und wenn es nach Dave Grohl von den Foo Fighters geht, ist die Musik von Billie Eilish nichts weiter als purer Rock 'n' Roll.

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