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Musikblog Festivals und Corona Der Festivalsommer kommt. Corona bleibt.

Wer glaubt an einen Festivalsommer 2021? Einen Konzertsommer, so wie wir ihn kennen und uns wünschen? Wohl die Wenigsten und das mit Grund. Trotzdem glaube ich, dass der Festivalsommer 2021 auf gar keinen Fall abgesagt werden darf.

Das beste und verbindlichste Ticket, das man im Moment kaufen kann, ist dasjenige für das «Ghost Festival». Dabei geht es um eine Solidaritätsaktion. Ein Festival mit rund 300 Schweizer Acts, welches, per Ansage, Ende Februar nicht stattfinden wird.

Gregi Sigrist

Gregi Sigrist

Musikjournalist für Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen

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Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

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«Wann hört das endlich auf?» Diese Frage ist präsent und dringlich. Vielleicht sollte die Frage aber lauten: «Wie hört es auf?». Wie kommen wir aus dieser Krise heraus? Die Chancen, dass das Virus, das uns seit einem Jahr zu schaffen macht, einfach verschwindet, scheint gering. Wegimpfen lässt sich Corona bestimmt nicht so schnell, wie wir uns das wünschten. Wegreden und verharmlosen lässt es sich ebenso wenig wie ignorieren.

Was bleibt? Mit Corona leben lernen.

Wir brauchen Menschen und Erlebnisse und Tapetenwechsel

Dieser Text ist zu klein, um das grosse Thema der Volksgesundheit im Zusammenhang mit Covid-19 tiefgründig zu behandeln. Was die Pandemie mit der Volksseele macht und welche Auswirkungen der andauernde Zustand auf die Psyche der Menschen hat, ist aber offensichtlich.

Wir müssen als Gesellschaft prüfen, was wir unter diesen Umständen tun und verantworten können, um Seelen zu pflegen. Wir müssen mehr darüber reden, was die durch die Pandemie verursachte Einsamkeit bei den Menschen anrichtet. Wir müssen uns um die Generation kümmern, die sich ihrer Jugend beraubt fühlt und einen dicken Hals kriegt.

Wir müssen Momente der Freiheit und des Zusammenseins schaffen. Und ich glaube, dass dies in diesem Jahr wieder möglich wird, wenn dabei niemand die Erwartung hat, es müsse alles so sein und sich so anfühlen, wie es einmal war.

Wintersport vs. Sommerkonzert

Zurzeit fährt man Ski. Leute stehen vor Bergbahnen und drängen sich in grosse Gondeln. Nicht immer und nicht überall werden die geltenden Regeln vollumfänglich eingehalten. All jene, die diesen Winter Skiferien machten, kamen in Situationen, in welchen sich coronatechnisch nicht alles komplett optimal anfühlte.

Das gibt zu denken. Es macht aber Hoffnung für die Open-Air-Saison. Nicht, dass ich von 20'000 Leuten auf dem Gurten träume, die sich ohne Masken in den Armen liegen und aus voller Kehle «Scharlachrot» mitbrüllen. Meine Wünsche sind bescheidener und weit weg von der DNA eines klassischen Festivals.

Konzerte ohne Megaparty

Die Gefühlslage der grossen Schweizer Festivals ist divers. Während sich die einen schon fast beängstigend euphorisch geben, zeigen sich andere äusserst zurückhaltend.

Ich persönlich glaube, dass momentan ausser «Umdenken» gar nichts eine Chance hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir im Sommer eine richtige Festivalsommer-Party feiern. Ich glaube aber, dass es möglich sein wird, Konzerte im Freien zu veranstalten. Wieso ich das glaube? Weil es sein muss und Zeit wird und ganz unbedingt notwendig ist.

Um diese dringend benötigte Festival-Luft atmen zu können, müssen wir uns aber einschränken. Was ich vor Augen habe sind einzelne Konzerte unter freiem Himmel und mit gewissen Auflagen.

Planen mit Vorlauf und Abstand und Maske

Grosse Festivals stossen schnell an Grenzen, wenn Corona-Schutzkonzepte das Leben auf dem Gelände bestimmen. Ausserdem müssen sie bei einem internationalen Line Up immer damit rechnen, dass Bands ausfallen, weil sie entweder nicht reisen können oder ändernde Corona-Massnahmen Auftritte verunmöglichen.

Vielleicht muss man 2021 eben doch noch kleiner denken. Eine Bühne, eine Zuschauertribüne mit nummerierten Plätzen, Abstand und Masken. Einzelkonzerte. Ein Erlebnis. Keine Party. Ausser in den nächsten Monaten passiert ein Wunder.

Es werde Licht …

Wichtig ist, dass wir in diesem Sommer aus unseren Wohnungen und unseren Home-Office-Geisterbahnen rauskommen. Wichtig ist, dass Musikerinnen und Musiker ihre Bühnen zurückkriegen. Dass Tontechnikerinnen und Bühnenbauer wieder da sind, wo sie hingehören. Dass wir Licht sehen am Horizont. Dass wir Licht sehen auf der Bühne. Dass wir DICH sehen. Irgendwo. Und das nicht irgendwann. Nein. 2021. In diesem Sommer.

Ich würde sterben für ein bisschen Normalität. Ein gefährlicher Satz in Zeiten von Corona. Natürlich müssen wir weiterhin zurückstecken, um diesem Virus Einhalt zu gebieten. Wir müssen aber auch zu unseren Seelen und Herzen schauen. Es ist wichtig, dass wir uns philosophisch mit der Abwägung und dem Zustand von physischer und psychischer Gesundheit auseinandersetzen. Dies selbstverständlich im Wissen, dass die beiden nicht voneinander zu trennen sind.

Diese Zeilen sind in keinster Art und Weise als Anstiftung für den Ausbau hedonistischer Gedanken zu verstehen. Im Gegenteil. Meine Vorstellung eines Festivalsommers ist demütig. Und ich traue der Demut viel zu. Auch wenn es wirklich nicht in ihrer Natur liegt, bin ich davon überzeugt, dass sie in diesem Fall höher fliegen kann, als wir das je für möglich gehalten hätten.

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