Ein Furz-Song hat die Geschichte ins Rollen gebracht. Konkret: Ein Journalist des Nachrichtenportals Nau.ch wurde auf der Heimfahrt zu später Stunde mit dem Song «Ein fremder Furz» im Programm von Radio 1 konfrontiert.
Nachforschungen ergaben, dass Radio 1 in der Nacht KI-generierte Musik spielt und dass der Sender damit nicht allein ist. Auch die Radios Grischa und Zürisee setzen in den frühen Morgenstunden auf musikalische Produkte künstlicher Intelligenz.
Radios sparen Geld mit KI-Songs
Wenn Radios KI-generierte Songs ausstrahlen, sparen sie Geld, weil keine Urheberrechtsgebühren anfallen. Entsprechend fliesst auch weniger Geld in die Taschen von Musikschaffenden. SRF verzichtet bewusst auf den Einsatz von KI-generierter Musik.
Mit KI-generierter Musik können Radiostationen zwar sparen, doch gehen sie damit ein Rechtsrisiko ein. KIs werden aktuell grösstenteils mit urheberrechtlich geschützten Werken trainiert, und zwar ohne dass die Rechteinhaber um Erlaubnis gefragt werden.
Label-Deals: Der Teufel liegt im Detail
Das soll sich nun aber ändern. Die beiden Labels Warner und Universal haben im November Deals mit den Musikgeneratoren Suno und Udio ausgehandelt - dies nachdem zuvor ein erbitterter Rechtsstreit geführt worden war. Mit den neuen Verträgen sollen Grauzonen in Bezug auf die Urheberschaft von KI-Songs geregelt werden, die Musikschaffenden sollen eine bessere Kontrolle über ihr Werk erhalten und ausserdem finanziell entlöhnt werden, falls ihre Musik zum Generieren von KI-Musik verwendet wird, schreibt Udio.
Doch der Teufel liegt im Detail. Wie das Vergütungssystem für KI-generierte Musik genau funktionieren soll und wie viele Prozente der Einnahmen an die musikschaffende Person, ans Label oder an das KI-Unternehmen gehen, bleibt unklar. Das sorgt für Fragezeichen in der Musikszene. Hinzu kommt, dass sich mit dem neuen Deal die KI noch offensichtlicher bei den Musikschaffenden bedienen darf.
Ein Song mit der Stimme von Madonna?
Bis anhin analysierte die KI eine grosse Menge an Songs, um von deren Klängen und Ausdrucksformen zu «lernen». Wer mit Udio oder Suno einen KI-Song generierte, bekam eine Annäherung an das Gelernte, quasi den Durchschnitt. Mit dem neuen Abkommen ist es nun möglich, einen Song mit der originalgetreuen Stimme einer Künstlerin zu erstellen.
Falls beispielsweise Madonna dem KI-Abkommen zustimmen würde, dann dürften alle einen Song mit Madonnas Stimme kreieren. Das wird sie aber wohl kaum wollen. Madonna bleibt also die Wahl zwischen rechtlicher Grauzone, falls sie den KI-Konditionen nicht zustimmt, oder dem Verlust des Allerpersönlichsten, was eine Sängerin haben kann: der eigenen Stimme.
Musikschaffende profitieren – theoretisch
Fakt ist: Die Plays in Privatradios und die Deals zwischen Universal/Suno und Warner/Udio zeigen, dass KI-Musik nicht mehr weggeht und dass die Musikindustrie sie lieber kontrollieren als bekämpfen will. Davon könnten auch die Musikschaffenden profitieren – zumindest theoretisch.
Die Praxis zeigt, dass es nach wie vor viele Grauzonen, Unsicherheiten und Abhängigkeiten gibt. Die Aussichten bleiben wenig rosig. Denn sollten Musikschaffenden künftig Einnahmen aus Radioplays in grossem Stil wegfallen, müsste die sowieso schon gebeutelte Sparte den Gürtel noch ein Stück enger schnallen.