Alle zwei Wochen trifft sich in Aarau eine Gruppe Freiwilliger, die ohne Lohn und für eine Tasse Kaffee auf Neophyten-Jagd geht. Jeweils einen halben Tag sind sie im 900 Hektar grossen Waldgebiet um Aarau mit Förster Leo Niederberger unterwegs. «Noch gibt es keine Maschine, die Neophyten erkennt und keine, die sie an der Wurzel packen kann», meint Niederberger. Es brauche Fingerspitzengefühl, sonst reisse man die Pflanzen lediglich ab, statt aus.
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Bild 1 von 5. Anstatt Bäume zu fällen und zu pflegen, ist Förster Leo Niederberger vom Forstbetrieb Region Aarau unterwegs, um den Neophyten den Garaus zu machen. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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Bild 2 von 5. Die Ausbeute von einem Tag. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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Bild 3 von 5. Manfred Klopocki arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Schreiner. Er ist seit jeher passionierter Naturschützer und hilft tatkräftig bei der Neophytenbekämpfung mit. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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Bild 4 von 5. Gemeinsam wird der Wegrand nach Neophyten durchforstet. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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Bild 5 von 5. Lisa Kaufmann ist Biologin und Co-Leiterin der Fachstelle Umwelt und Klima der Stadt Aarau. Sie packt selber mit an. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
Die freiwilligen Neophyten-Jägerinnen und Jäger haben dieses Fingerspitzengefühl. Die Stadt Aarau profitiert enorm von diesem Engagement. «Ohne die Freiwilligen wäre das für uns kaum finanzierbar», sagt Förster Leo Niederberger. Die Helferinnen und Helfer schenken dem Forstbetrieb zusätzliche Augen und Hände. Niederberger selbst ist seit vier Jahren im Einsatz und erlebt, wie die Problematik stetig zunimmt.
Auch Lisa Kaufmann, Biologin und Co-Leiterin der Fachstelle Umwelt und Klima, betont die Dringlichkeit. Der Stadt Aarau sind die wuchernden, invasiven Neophyten in schützenswerten Gebieten ein Dorn im Auge. Deshalb hat man 2022 ein Strategiepapier erarbeitet, mit dem Ziel, koordinierter gegen die pflanzlichen Zuwanderer vorzugehen, so Lisa Kaufmann.
Invasive Neophyten kann man eindämmen. Aber die Pflanzen werden wir nicht mehr los.
«Es geht darum, möglichst wichtige Orte wie Naturschutzgebiete oder Magerwiesen zu schützen». Die invasiven Einwanderer überall zu bekämpfen sei nicht möglich. Man müsse Prioritäten setzen. «Invasive Neophyten kann man eindämmen, aber die Pflanzen werden wir nicht mehr los und es kommen auch immer wieder neue Arten», erklärt Lisa Kaufmann.
Fehlende gesetzliche Grundlagen für Private
Für die Biologin Lisa Kaufmann ist klar, dass es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, um Neophyten loszuwerden. «Man müsste Privatpersonen verpflichten, Neophyten aus ihren Gärten zu entfernen», meint sie. Solange es Kirschlorbeer-Hecken in den Gärten gibt, werden die Vögel dafür sorgen, dass diese im Wald wieder spriessen. Vögel fressen die Samen und scheiden sie an anderen Stellen wieder aus. Aufgeben ist für Lisa Kaufmann keine Option, das würde zu einem Biodiversitätsverlust führen.
Besonders problematische Neophyten
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Bild 1 von 10. Die spät blühende, kanadische Goldrute gehört zu den Pflanzenarten, deren Ausbreitung unterbunden werden muss. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 2 von 10. Die amerikanische Kermesbeere (Phytolacca americana) breitet sich so stark aus, dass die heimischen Baumarten sich nicht mehr verjüngen können. Vermutlich gelangte sie durch achtlos entsorgte Gartenabfälle in den Wald. Bildquelle: depositphotos.com/hecos.
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Bild 3 von 10. Die Ambrosia ist eine nordamerikanische Pflanze, die sich in der Schweiz, aber auch in ganz Europa stark verbreitet hat. Ihre Pollen verursachen Allergien. Die Pflanze gefährdet zudem die Biodiversität. Bildquelle: Keystone/Eddy Risch.
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Bild 4 von 10. Wer den Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) eliminiert, sollte immer lange Kleider, Handschuhe und Schutzbrille tragen. Der Saft kann bei Sonne zu Verbrennungen der Haut führen. Bildquelle: Keystone/Frank Molter.
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Bild 5 von 10. Hier gilt es kleine und junge Bestände auszureissen und Wurzeln auszugraben. Bei grösseren Beständen sollte man Experten beiziehen, da die Bekämpfung anspruchsvoll ist. Im Bild: Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica) . Bildquelle: depositphotos.com/cakifoto.
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Bild 6 von 10. Der Essigbaum (Rhus typhina) blüht von Mai bis Juni. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Nordamerika und wird maximal 8 Meter hoch. Sein Milchsaft ist bei Einnahme schwach giftig und er kann auch Haut- und Augenentzündungen verursachen. Bildquelle: depositphotos.com/FotoPrivet.
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Bild 7 von 10. Das drüsige Springkraut breitet sich ausschliesslich über Samen aus. Die Samen im Boden sind bis zu 6 Jahren keimfähig. Bildquelle: Imago/ Gottfried Czepluch.
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Bild 8 von 10. Die Heckenpflanze Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) entfernt sich auf natürlichem Weg immer mehr aus den Gärten und breitet sich in den Wäldern aus. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 9 von 10. Das schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens) stammt ursprünglich aus Südafrika. Die Pflanze ist für Mensch und Nutztiere giftig. Bildquelle: Imago/Gottfried Czepluch.
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Bild 10 von 10. Der Sommerflieder stammt aus China und verbreitet sich über weite Strecken rasch. Der in Gärten beliebte, ebenfalls gebietsfremde Gewöhnliche Flieder (Syringa vulgaris) hat ähnliche Blüten und Farben. Nur zählt dieser nicht zu den invasiven Arten, weil er nicht verwildert. Er blüht im April/Mai. Der Invasive erst im Juli bis September. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
«Die Bekämpfung könnten der Werkhof und der Forstbetrieb alleine nicht bewerkstelligen», sagt Lisa Kaufmann. Es braucht die Freiwilligen und deshalb habe man eine Gruppe ins Leben gerufen, die unterstützen könne. Einer, der dieser Gruppe angehört, ist 86-jährige Manfred Klopocki. Er setzt sich seit Jahrzehnten für den Schutz der einheimischen Flora und Fauna ein.
Preisgekrönt und unermüdlich
Der ehemalige Schreiner Manfred Klopocki ist täglich unterwegs und reisst invasive Neophyten aus. Und das seit rund 40 Jahren. In Aarau kennt er die Standorte aller invasiven Pflanzenarten. Er weiss, wann der richtige Zeitpunkt für die Bekämpfung ist und mit welcher Methode die besten Resultate erzielt werden. Für sein Engagement wurde der 87-Jährige mit dem Aarauer Umweltpreis ausgezeichnet.
«Im Aarauer Schachen, der einst fast gänzlich vom Drüsigen Springkraut überwuchert war, hat es Manfred Klopocki dank seines hartnäckigen Einsatzes geschafft, die gesamte Springkrautpopulation auszumerzen», liess die Aargauer Natur- und Umweltkommission vor längerer Zeit schon verlauten. Dies sei angesichts des Vermehrungspotenzials und der Widerstandsfähigkeit dieser Pflanze ein Riesenerfolg.