Was ist das Problem?
In Wagenhausen im Kanton Thurgau ärgert sich ein Gartenbesitzer: Er wohnt direkt am vier Meter hohen Bahndamm der SBB. Und dort wuchern und blühen tonnenweise amerikanische Goldruten – gemäss Einschätzung des Bundes ein invasiver Neophyt, der bekämpft werden soll. Bis anhin hat die SBB einmal im Jahr gemäht, um wenigstens das Versamen der Goldruten einzudämmen. Dieses Jahr passiert gar nichts – um Kosten zu sparen.
Jetzt wird die Politik aktiv
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Der Berner SVP-Nationalrat Thomas Knutti hat den Bundesrat Ende September gefragt, ob er es korrekt finde, dass Landwirte, welche invasive Pflanzen nicht bekämpften, mit dem Entzug von Direktzahlungen «bestraft» würden, «die SBB hingegen nicht».
Der Bundesrat antwortet sinngemäss: Die SBB halte sich ans Gesetz. Zudem unterstütze der Bund Landwirte mit Biodiversitätsbeiträgen in der Höhe von jährlich 440 Millionen Franken. Der SVP-Nationalrat überlegt sich nun, gemeinsam mit anderen Parteien eine Motion einzureichen. Die SBB soll gesetzlich verpflichtet werden, invasive Pflanzen auf all ihren Flächen zu bekämpfen.
Auch die Kantone sind nicht glücklich über die SBB. So mache die SBB vergangene Bemühungen zunichte, schreibt das überkantonale Fachgremium «Cercle Exotique». Man spare nichts dabei. Der Unterhalt werde nur noch teurer. Zudem sei die SBB ein schlechtes Vorbild. Auch die Kantone hätten mit begrenzten Ressourcen zu kämpfen.
Was ärgert am Verhalten der SBB?
Dass da nicht mit gleichen Ellen gemessen wird, stösst den Gartenbesitzer vor den Kopf: «Der Bund lanciert Kampagnen, dass wir private Neophyten ausreissen sollen. Und die SBB als Bundesbetrieb lässt sie wachsen.» Rund 3200 Kilometer Schienen betreibt die SBB in der Schweiz. Wenn invasive Pflanzen dort nicht mehr bekämpft werden, kommt es zu Problemen. Im Juli klagten Bauern in den Medien, dass Direktzahlungen gekürzt werden, wenn ihre Felder wegen der SBB mit Neophyten verseucht sind.
Wie reagiert die Gemeinde Wagenhausen?
Gemeinderat Markus Nyffeler intervenierte im Juli höchstpersönlich bei der SBB, doch auch er blitzte ab. Dass sich die SBB trotz breiter Kritik nicht bewegt, irritiert ihn. Seine Gemeinde werde vom Kanton aktiv dazu aufgefordert, invasive Pflanzen zu bekämpfen: «Uns fehlt das Verständnis, dass sich die SBB einfach aus der Verantwortung stehlen kann», so Markus Nyffeler. Er erwarte, dass die SBB ihre Anlagen jährlich pflege, damit die Gemeinde nicht mit Folgekosten kämpfen müsse.
Das sagen die zuständigen Bundesämter:
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Das Bundesamt für Umwelt BAFU
will sich nicht zur SBB äussern. Das BAFU schreibt aber: «Invasive gebietsfremde Arten können erheblichen Schaden für die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit verursachen, und stellen eine erhebliche Gefährdung für die biologische Vielfalt dar.»
Das Bundesamt für Verkehr, BAV,
welches den Unterhalt und Betrieb der ÖV-Anlagen finanziert und beaufsichtigt, sagt: Die SBB halte sich an die Leistungsvereinbarungen. Nur auf ökologisch hochwertigen Flächen müsse die SBB sämtliche Neophyten bekämpfen. «Auf allen anderen Flächen muss die SBB nur Pflanzen bekämpfen, die gesundheitsgefährdend sind oder den Bahnbetrieb beeinträchtigen.» Wie und wo die SBB ihre Finanzen im Detail einsetze, sei ein «unternehmerischer Entscheid», so das BAV.
Das sagt der Kanton Thurgau zu den Goldruten:
Das Amt für Umwelt des Kantons Thurgau schreibt auf der Webseite: Amerikanische Goldruten müsse man entweder ausreissen oder mindestens zweimal im Jahr mähen – und zwar konsequent, über mehrere Jahre, ansonsten werde kein Erfolg erzielt. Die Bahndämme selbst mähen darf und will die Gemeinde nicht. Erstens wegen der strengen Sicherheitsvorschriften der SBB, zweitens wegen der Kosten.
Welche Neophyten gelten als invasiv?
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Jardin Suisse, der Unternehmerverband der Schweizer Gärtnerinnen und Gärtner, hat eine
Liste
mit invasiven Neophyten in der Schweiz publiziert.
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) beschreibt in einer
Broschüre
invasive Neophyten mitsamt den Wegen, wie sie in die Schweiz kamen, und ihrer Ausbreitung über die Jahre.
Das sagt die SBB zur Kritik:
Man könne das Unverständnis nachvollziehen, sagt ein Sprecher. Die SBB bekämpfen invasive Arten, wenn sie gesundheitsschädigend seien oder die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Bahnbetriebs beeinflussen würden. Für alles andere fehle dieses Jahr das Budget. Der Grund: Der Unterhalt von Schienen, Brücken, Signale und Fahrleitungen sei dieses Jahr teurer. Deshalb wurde das Budget bei der Grünpflege um zehn Prozent gekürzt, das entspricht rund vier Millionen Franken.
Werden Bahndämme nächstes Jahr wieder gemäht?
Das ist noch unklar. Die SBB befinden sich im Moment in Verhandlungen mit dem Bund für die Mittel der nächsten vier Jahre. Diese Frage könne man erst nach den Verhandlungen beantworten, sagt ein Sprecher.
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