Schweizer Jodeln gehört fortan zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Der Beschluss wurde von der Unesco in Neu-Dehli gefasst. Wer in die Unesco-Liste aufgenommen werden will, muss liefern und überzeugen. Die Jodlerin und Professorin an der Hochschule Musik in Luzern Nadja Räss kann nun ernten, was sie zusammen mit anderen gesät hat.
SRF: Welches Gefühl löst der Unesco-Entscheid in Ihnen als Jodlerin aus?
Nadja Räss: Es ist ein unglaublich gutes Gefühl. Ich durfte beim ganzen Einschreibungsprozess mitarbeiten. Es ist wie vorgezogene Weihnachten.
Das bedeutet mehr Publicity, und dass man das Jodeln in der Gesellschaft mehr wahrnimmt.
Wie haben Sie es erfahren?
Ich bin ein Morgenmensch, aber heute bin ich noch früher aufgestanden. Wir sind um fünf Uhr mit Studierenden und Dozierenden an der Hochschule zusammengekommen und haben im Livestream gesehen, wie in Neu-Delhi Jodeln aufgerufen worden ist und Andrea Küttel, eine ehemalige Studierende von uns, und ein Mitarbeiter vom Bundesamt für Kultur auf die Bühne gegangen sind.
Was bedeutet das allgemein für die Schweiz?
Das bedeutet mehr Publicity, und dass man das Jodeln in der Gesellschaft mehr wahrnimmt. Und dass vielleicht das eine oder andere Projekt, das aus der Unesco-Einschreibung entstanden ist, Rückenwind bekommt.
Im Eidgenössischen Jodlerverband gibt es etwa 12'000 Mitglieder, die jodeln. Es gibt auch viele, die jodeln und nicht im Verband sind. Was bedeutet das für sie?
Grundsätzlich wird sich nicht viel ändern, aber es kann sich etwas ändern. Zum Beispiel, dass Leute aufs Jodeln aufmerksam werden und sagen: «Wow, das will ich auch machen» – und im besten Fall einem Jodelchor beitreten. Oder dass es Nachwuchsprojekte gibt und Jodelchöre weiter wachsen können. Ich glaube, schlussendlich passiert genau das, was wir daraus machen.
Wenn nichts passiert, kann es sein, dass wir das Diplom auch wieder verlieren.
Jetzt ist Jodeln Kulturerbe. Steht das einfach auf einer Urkunde und das war's oder gibt es Verpflichtung, die man erfüllen muss?
Es gibt ein Diplom und es gibt auch Verpflichtungen. Wir haben bei der Eingabe sogenannte Bewahrungsmassnahmen definiert. Da sind zum Beispiel die Nachwuchsförderung, die Digitalisierung und die Wahrnehmung in der Gesellschaft ein grosses Thema. Das wird von der Unesco regelmässig geprüft.
Wenn nichts passiert, kann es sein, dass wir das Diplom auch wieder verlieren. Aber wir arbeiten daran. Wir haben bereits ein paar Projekte angestossen, die sich erfreulich entwickeln.
Was sind das für Projekte? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ein Projekt ist das jodelnde Klassenzimmer. Wir haben einen Aufruf gemacht und Jodlerinnen und Jodler gesucht, die schon an Primarschulen unterrichten und bereit sind, Jodeln in ihren Klassen zu integrieren. Am Samstag ist der Tag des Jodelns, wo wir die Einschreibung feiern. Da treten bereits drei Schulklassen auf, die seit dem Herbst am Jodeln sind. Ich bin sehr gespannt, wie das tönt.
Sie sind seit der Kindheit begeistert vom Jodeln und beschäftigen sich schon das ganze Leben mit dem Thema. Unterdessen sind Sie Professorin an der Hochschule Luzern Musik und unterrichten Jodeln. Was für eine Rolle hat Ihre Hochschule bei diesem Prozess gespielt?
Die Hochschule Luzern Musik hat als Trägerschaft im ganzen Bewerbungsprozess mitgearbeitet. Es waren aber auch andere Trägerschaften wie der Jodlerverband, die IG Volkskultur und das Roothuus in Gonten dabei. Wir haben mitgeholfen, die ganzen Dokumente aufzubereiten, die die Unesco verlangt, damit ein Kulturerbe wie das Jodeln eingeschrieben werden kann.
Das Gespräch führte Sämi Studer.