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Greifvögel im Aufwind In der Schweiz erleben grosse Vogelarten ein Comeback

Die Schweiz hat die höchste Dichte an Rotmilanen weltweit. Auch Schleiereulen profitieren von gezieltem Schutz. Doch nicht alle Rückkehrer sind willkommen – umstritten ist insbesondere der Gänsegeier.

Im Kanton Freiburg werden junge Rotmilane aus ihren Nestern geholt – für ein Wiederansiedlungsprojekt im Nationalpark Aspromonte in Kalabrien. Die Zahl der Rotmilane ist in der Schweiz so hoch, dass der Export von Jungvögeln kein Problem ist für den Bestand: In der Schweiz leben rund zehn Prozent aller Rotmilane weltweit.

Aus Rücksicht auf die Vogel-Eltern erfolgt die Entnahme aber mit Bedacht: «Wir nehmen nur Jungvögel aus Nestern mit mindestens zwei Tieren. Ein Junges bleibt immer zurück», sagt Biologe Adrian Aebischer zum Nestraub im Namen der Biodiversität. Er will damit verhindern, dass die adulten Vögel plötzlich ein ganz leeres Nest vorfinden.

Ein Mann hält einen Rotmilan in seinen Händen.
Legende: Der Freiburger Biologe Adrian Aebischer hat sich europaweit einen Namen als Rotmilan-Experte gemacht SRF

Aebischer widmet seine ganze Freizeit den Rotmilanen. Er hat sich in Europa und darüber hinaus mit andern Rotmilan-Freunden vernetzt und teilt sein Wissen über die Vögel auch in Büchern. Die Erfolgsgeschichte des Rotmilans in der Schweiz hat er aus nächster Nähe miterlebt. 

Einst fast ausgerottet

Mit gut 3000 Paaren brüten heute 30- bis 40-mal mehr Rotmilane in der Schweiz als noch vor 50 Jahren. Früher galten Rotmilane – wie andere Greifvögel auch – als Bedrohung und Konkurrenz für die Jäger. Daher der Name Raubvogel.

Rotmilane wurden gejagt und vergiftet und schliesslich fast ausgerottet. Erst mit der Zeit wurde die Rolle der Milane im Öko-System anerkannt.

Der Kopf eines Rotmilans ganz nahe.
Legende: Ein Rotmilan wird für den Export vorbereitet SRF

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Population erhöht. Dabei spielt auch das wärmere Klima eine Rolle: Immer mehr Rotmilane bleiben im Winter in der Schweiz. Die Langstrecken-Flüge fallen weg, das erhöht ihre Überlebenschance.

Auch die kleinteilige Landwirtschaft wirkt sich günstig aus. «In der Schweiz haben wir kleine Felder. So wird heute hier gemäht, am nächsten Tag nebenan», erklärt Adrian Aebischer. Auf den frisch gemähten Feldern eröffnen sich für die Rotmilane immer neue Futterquellen.

Schleiereulen: Schutz durch Forschung und Engagement 

Die Rückkehr der grossen Vögel ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von jahrelanger Forschung, Freiwilligenarbeit und Kooperation mit der Landwirtschaft. Das zeigt das Beispiel der Schleiereule – auch sie ist wieder zurück, auch sie profitiert von kleinräumiger Landwirtschaft mit Hochstammbäumen und Hecken.

Massgeblich zu diesem Erfolg beigetragen hat Bettina Almasi von der Vogelwarte Sempach. Als Freiwillige engagiert sie sich in ihrem Heimatkanton Thurgau mit andern Vogelschützerinnen und Vogelschützern für das Anbringen von Nistkästen.

Sie sucht den Kontakt mit Landwirten, um sie für das Projekt zu begeistern. «Wenn eine Schleiereule einen Hof besucht und bleibt, dann läuft in der Landschaft vieles richtig», sagt Almasi.

Porträtbild einer Schleiereule
Legende: Die Schleiereule ist nachtaktiv und bewegt sich lautlos durch die Luft SRF

Im Thurgau hat sich die Zahl der Brutpaare in zehn Jahren von zwei auf bis zu dreissig erhöht. Landwirtin Margrit Plüer stellt Nistkästen zur Verfügung und beobachtet jährlich Schleiereulen und Turmfalken auf ihrem Hof. «Der Nutzen ist klar: Sie fangen Mäuse dort, wo wir sie nicht haben wollen.»

Die Forschungsprojekte von Bettina Almasi sind in der Region Estavayer (FR) angesiedelt. Mit ihrem Team beobachtet sie die Entwicklung der Jungtiere in den Nistkästen. Die Studentinnen und Studenten untersuchen die Küken auf Parasiten, vermessen sie und analysieren deren Stressresistenz. Diese Grundlagenforschung soll Erkenntnisse zum besseren Schutz der Schleiereule liefern.

Schon einfache Eingriffe wie der Bau von Sitzwarten am Rande von Äckern können entscheidend zum Jagderfolg der Schleiereule und damit zu ihrem Überleben beitragen.

Besonders kritisch ist der Winter – in Regionen mit wenig Brutpaaren wie im Thurgau kann ein harter Winter die Population fast vollständig auslöschen. Ist die Zahl der Brutpaare grösser, wie im Kanton Freiburg, wirkt sich ein Winter, in dem der Schnee lange liegen bleibt, viel weniger dramatisch aus.

Gänsegeier in den Alpen: Nicht überall willkommen 

Ein weiterer Rückkehrer ist der Gänsegeier. In der Schweiz sind vor allem ein- bis dreijährige Jungvögel unterwegs. Sie begeben sich auf Wanderschaft, bis sie in ihrer Heimat selbst zu brüten beginnen. 

Anders als der Rotmilan und die Schleiereule ist der Gänsegeier aber umstritten. Schafzüchter vermuten, dass die Geier ihre Schafe in den Abgrund treiben. Ornithologen widersprechen – Gänsegeier jagen nicht, sie fressen Aas und übernehmen damit eine wichtige Rolle als «Gesundheitspolizisten».

Durch das rasche Beseitigen von Kadavern verhindern sie die Ausbreitung von Krankheiten. Wildhüter Pascal Riedo beobachtet die Tiere regelmässig: «Ich habe nie gesehen, dass sie Schafe angreifen. Das ist Humbug.» 

Ein Gänsegeier von der Seite
Legende: Der Gänsegeier brütet nicht in der Schweiz, er ist ein sogenannter Nahrungsgast SRF

Thomas Knutti setzt sich als Nationalrat für geschädigte Schafzüchter ein: «Wir gehen davon aus, dass es einen Zusammenhang mit dem Wolf gibt. Wenn tote Schafe auf der Weide liegen, zieht das den Geier regelrecht an», erklärt er. 

Die Rückkehr der Geier werfe auch rechtliche Fragen auf. Wenn die Vögel einen Schafkadaver fast vollständig fressen, kann ein Wolfsriss nicht mehr nachgewiesen werden – und der Züchter erhält keine Entschädigung. Knutti fordert deshalb mehr Kulanz bei den Zahlungen. 

Fragiles Gleichgewicht 

Die Rückkehr der grossen Vögel ist eine Erfolgsgeschichte. Die Population der Rotmilane nimmt weiter zu. Auch bei den Gänsegeiern werden immer mehr Vögel beobachtet, die den Sommer in der Schweiz verbringen.

Die Situation der Schleiereulen aber ist weiterhin fragil. Es braucht weiterhin gezielte Schutzmassnahmen, um die ökologische Vielfalt zum Erfolg zu führen.

SRF 1, DOK, 18.9.2025, 20:05 Uhr

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