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Inside Roche Der Roche-Clan – verschwiegen, spendabel und immer reicher

Die Familien Hoffmann und Oeri kontrollieren den Basler Pharmakonzern und profitieren von dauernd steigenden Dividenden.

Während die Pandemie viele Leute und Firmen in Geldnöte gebracht hat, konnte das Corona-Virus den Roche-Erben – finanziell gesehen – nichts anhaben. Ganz im Gegenteil: Das Vermögen der Familien Hoffmann und Oeri dürfte auf rund 35 Milliarden Franken gestiegen sein.

Vor einem Jahr schätzte die «Bilanz» die Roche-Erben noch auf rund 30 Milliarden und platzierte sie damals auf dem zweiten Platz auf Liste der 300 reichsten Schweizer, direkt hinter den Gebrüdern Kamprad, den Söhnen des Ikea-Gründers.

Der Grund für den riesigen Vermögenszuwachs: Die Roche-Aktie ist in diesem Jahr um rund 30 Prozent gestiegen. Der Basler Pharmakonzern widersteht ebenfalls der Corona-Krise – dank guter Umsätze mit Corona-Tests und neuen Medikamenten.

Für mich ist der Wert der Aktie nicht wichtig, sondern vielmehr der Einfluss, den mir die Aktie gibt.
Autor: André Hoffmann Roche-Erbe

Für die Roche-Erben, welche ihre Stimmmehrheit mit dem angekündigten Deal noch ausbauen (siehe Box), ist der Börsenkurs aber irrelevant. André Hoffmann, Vizepräsident von Roche und Urenkel des Firmengründers, sagt es so: «Für mich ist der Wert der Aktie nicht wichtig, sondern vielmehr der Einfluss, den mir die Aktie gibt.» Ein Grund für den Erfolg der Firma sei denn auch das stabile Familien-Aktionariat.

Aktien-Deal: Novartis steigt bei Roche aus

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Der Schweizer Pharmariese Novartis steigt beim Rivalen aus. Das teilen die beiden Unternehmen am 4. November mit. Roche will Novartis für insgesamt rund 19 Milliarden Franken ein Paket der stimmberechtigten Roche-Inhaber-Aktien abkaufen und die Aktien danach vernichten. Durch die Transaktion festigen die Erben der Roche-Gründerfamilien ihren Einfluss: Ihr Anteil der Stimmrechte wird auf rund 75 Prozent steigen von derzeit knapp über 50 Prozent.

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Üppiger Dividenden-Regen

Um die Kontrolle über den weltgrössten Pharmakonzern nicht zu verlieren, dürfen sie ihre Aktien nicht verkaufen. Darum sind die Familienmitglieder von der Dividende abhängig. Diese sprudelt aber jährlich stärker, denn Roche hat die Dividende 34-mal ununterbrochen erhöht.

Es ist sicher so, dass wir auf die Dividendenzahlungen angewiesen sind, auch um unsere Vermögenssteuern zahlen zu können auf genau diesen Aktien
Autor: Jörg Duschmalé Roche-Erbe

So hat der Konzern allein in diesem Jahr 729 Millionen Franken an die Familien Hoffmann und Oeri ausgeschüttet. Über die letzten 34 Jahre sind es gemäss SRF-Berechnung gut 10 Milliarden. Und für 2022 hat Roche bereits eine weitere Dividendenerhöhung in Aussicht gestellt.

«Es ist sicher so, dass wir auf die Dividendenzahlungen angewiesen sind, auch um unsere Vermögenssteuern zahlen zu können auf genau diesen Aktien», sagt Jörg Duschmalé. Er gehört zur fünften Generation und vertritt im Roche-Verwaltungsrat den Familienzweig der Oeris. Seine Mutter ist Sabine Oeri, die durch Heirat den Namen Duschmalé ihres Mannes annahm.

Die Stadt Basel profitiert

Beim riesigen Geldregen für die Roche-Erben bleibt natürlich auch nach dem Begleichen der Steuern noch viel übrig, etwa für das Mäzenatentum in Basel, wo die Oeris leben. Sie finanzieren und spenden verschiedenste Dinge, von der Kunst bis zu sozialen Engagements (siehe Box). Insgesamt dürften die Stadt und die Umgebung bislang von einer Milliarde Franken profitiert haben.

«Das Mäzenatentum ist erfreulich, aber nicht nur Goodwill.»

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Ueli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie, Basel
Legende: Ueli Mäder ist Reichtumsforscher und emeritierter Professor für Soziologie der Uni Basel SRF

SRF: Ueli Mäder, wie beurteilen Sie das Mäzenatentum der Roche-Erben?

Ueli Mäder: Das Mäzenatentum ist erfreulich. Aber es ist nicht nur Goodwill. Die Gesellschaft hat das Geld mit erwirtschaftet, etwa über die Arbeitsleistung vieler Leute, über die Krankenkassenprämien, um die hohen Medikamentenpreise zu berappen, oder über günstige Standortbedingungen wie tiefe Steuern, die ein Kanton einem Unternehmen gewährt.

Was motiviert die Familie?

Zum Teil möchte sie wohl der Gesellschaft etwas zurückgeben. Oder es sind eigene Vorlieben, die gefördert werden. Und dann ist es natürlich auch Imagepflege. Gerade das Basler Mäzenatentum gibt sich eher zurückhaltend, teilweise sogar bescheiden, wohl wissend, dass das in der Bevölkerung vermutlich besser ankommt, als wenn man etwas an die grosse Glocke hängt.

Müssten die Roche-Erben etwas anderes machen?

Ich wünschte mir, dass sie jetzt – gerade im Kontext der Pandemie – statt zum 34. oder 35. Mal die Dividende zu erhöhen, einen grösseren Teil des Gewinns abzwacken würden. Dies zugunsten der Bevölkerung, um jenen Leuten etwas zu geben, die keine Reserven mehr haben und jeden Franken zwei-, dreimal umdrehen müssen. Das wäre ein schönes Zeichen.

Allerdings ist das nur eine Schätzung von SRF. Denn meist gibt es nur wenige Informationen zu den Finanzen oder sie bleiben gar geheim – ganz nach der Basler Redensart: «Man gibt, aber spricht nicht darüber.» So äussern sich die Familienmitglieder auch praktisch nie in den Medien, ausser André Hoffmann und Jörg Duschmalé, die die Familie auch im Verwaltungsrat vertreten.

Ihm gehe es ähnlich, sagt André Hoffmann. Aber im Gespräch mit Medien nutze er eben auch die Gelegenheit, seine Botschaften loszuwerden: «Roche existiert nicht, um Geld zu machen. Diese Firma existiert, um Patienten zu helfen.» Oder: «Eine Firma, die keinen Gewinn macht, kann nicht nachhaltig sein.»

Das nachhaltige Unternehmen

Für die Nachhaltigkeit setzt André Hoffmann viel Zeit und Geld ein. Das kommt nicht von ungefähr: Sein Vater Luc Hoffmann war einer der wichtigsten Umweltschützer in Europa. Zusammen mit anderen hat er den WWF gegründet oder sich für den Erhalt der Natur in vielen Gegenden eingesetzt, etwa in der Camargue in Südfrankreich.

Dort hat Biologe Luc Hoffmann eine Forschungsstation aufgebaut und viele Jahre gelebt, weshalb André mit seinen Geschwistern dort aufgewachsen ist. Das ist auch der Grund, weshalb Schwester Maja Hoffmann in Arles, am Rande der Camargue, mäzenatisch tätig ist und dort ein Kunst- und Kulturzentrum hat bauen lassen mit einem futuristischen Turm des Architekten Frank Ghery.

Wo sich die Roche-Erben als Mäzene engagieren

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Die Mitglieder der Familien Hoffmann und Oeri sind den verschiedensten Bereichen als Mäzene tätig. Die Oeris konzentrieren sich dabei stark auf Basel.

Viele Engagements sind gar nicht bekannt, andere hingegen schon – meist aber ohne finanzielle Angaben:

  • Basler Wirrgarten (Tagesstätte für Alzheimerkranke)
  • Basler Zoo (u.a. 20 Mio.-Fr-Spende wegen des 125-Jahr-Jubiläums)
  • Kunstmuseum (u.a. 50 Mio. Fr. Spende für den Erweiterungsbau)
  • Schaulager (Lager mit Ausstellungsraum, Münchenstein)
  • Jazz-Campus (Musikhochschule und Jazz-Club)
  • Spielzeug Welten Museum
  • Bajour (Online-Medium, zuvor Tageswoche)
  • Universität Basel (u.a. Stiftungsprofessur für Komplementärmedizin)
  • Habitat (sozialer, günstiger Wohnungsbau)
  • FCB-Campus (Trainingsgelände für Nachwuchs des FC Basel)
  • Titus-Kirche (Spende in zweistelliger Millionenhöhe)
  • Tibet-Sammlung (Spende für Museum der Kulturen)
  • Musik-Akademie (u.a. Spende für Musiksaal)
  • Pharmaziemuseum (diverse Unterstützung)
  • Vera Oeri-Bibliothek (grösste Musikaliensammlung der Schweiz)
  • Paul Sacher-Stiftung (Musik-Archiv und -Forschungszentrum)

Nachhaltigkeit fordert André Hoffmann auch von Roche. Und tatsächlich wird die Firma fast jährlich vom Dow Jones Sustainability Index zum nachhaltigsten Pharmakonzern gekürt. Trotzdem steht dieser in der Kritik. Etwa wegen dem Lohn des Konzernchefs Severin Schwan. Er verdient jährlich rund 15 Millionen Franken, so viel wie kein anderer Manager in der Schweiz.

Auch wenn es um die hohen Medikamentenpreise geht – ein anderer Kritikpunkt –, argumentieren André Hoffmann und Jörg Duschmalé gleich. Sie rechtfertigen dies etwa mit hohen Kosten für die Entwicklung neuer Wirkstoffe sowie dem Scheitern vieler Projekte.

Der Familienpool Roche

Dass die Roche-Erben geeint sind, liegt auch ihrer Organisation untereinander. Fast alle sind in einem Familienpool zusammengeschlossen und stimmen so an Generalversammlungen mit einer Stimme ab. «Wie der Pool genau funktioniert, wollen wir nicht veröffentlichen», sagt André Hoffmann. Die Familie diskutiere aber viel, um zur gleichen Meinung zu gelangen. «Denn das kommt natürlich nicht spontan.»

Dann verrät André Hoffmann – mit einem Augenzwinkern – doch noch etwas: «Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, mit der wir von Zeit zu Zeit kommunizieren. Wir sind modern.» Auf Nachfrage, ob das auch wirklich funktioniert, lacht Hoffmann nur: «Uff…manchmal.»

SRF1, 04.11.2021, 20:05 Uhr

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