27 Jahre lang arbeitete Gary Hairston in den Kohleminen von West Virginia. Der Job ist hart, aber er brachte, was es sonst in den Appalachen kaum gab: ein gutes, stabiles Einkommen. Bis er während einer Schicht keine Luft mehr bekam. «Ich dachte: Jetzt ist es so weit, jetzt sterbe ich», erinnert er sich.
Als er zu Hause begann, schwarze Klumpen zu husten, überredete ihn seine Frau, ins Krankenhaus zu gehen. Die Diagnose: In seiner Lunge hatte sich Kohlestaub festgesetzt und das Gewebe zerstört. Er hat eine Staublunge, eine unheilbare Berufskrankheit. Die Mine musste er verlassen.
Ich wäre gern draussen und würde mit meinen Enkeln spielen – aber das geht nicht mehr.
Heute, zwei Jahrzehnte später, ist Hairston 72 und kämpft als Präsident der Black Lung Association für den Schutz der Minenarbeiter. Nachts ist er auf Sauerstoffzufuhr angewiesen, tagsüber muss er jede Bewegung vorsichtig dosieren, schon eine kurze Treppe bringt ihn ausser Atem.
«Ich wäre gern draussen und würde mit meinen Enkeln spielen – aber das geht nicht mehr», sagt er. Jetzt hofft er vor allem, dass seine Lunge nicht noch weiter abbaut.
Die Kohle schrumpft – die Krankheit wächst
Während sich Hairstons Gesundheitszustand verschlechterte, ging es auch mit der Kohleindustrie in seiner Heimat bergab. Als es anderswo billiger wurde, Kohle zu gewinnen, und der Siegeszug von Gas und erneuerbaren Energien einsetzte, verlor die Region ihren wichtigsten Wirtschaftszweig – und Zehntausende ihre Jobs in den Minen. Zurück blieben verlassene Dörfer und ausgebeutete Kohlereserven.
Die Bergleute fühlten sich von den Demokraten verraten, deren Einfluss sich einst auf die starken Kohlegewerkschaften stützte. Dieses politische Vakuum füllte Donald Trump mit dem Versprechen, die Kohle zurückzubringen. Bereits 2016 und auch bei der letzten Wahl erhielt er 70 Prozent der Stimmen in West Virginia.
Es bricht mir das Herz. Besonders, wenn es Väter von Klassenkameraden meiner Kinder sind. Sie können kaum mehr mit ihren Kindern spielen.
Obwohl weniger Kohle gefördert wird, steigt die Zahl der Staublunge-Fälle. Jeder fünfte Bergarbeiter in den Appalachen ist von dieser Krankheit betroffen – so viele wie seit 25 Jahren nicht mehr. Lisa Emry, Ärztin in einer Spezialklinik, sieht die Folgen täglich. Immer häufiger sitzen Männer in ihren Dreissigern und Vierzigern vor ihr. «Früher war das praktisch undenkbar.»
Die Ursache sei klar: «Die grossen, dicken Kohleadern sind weitgehend ausgebeutet. Um an die dünneren zu gelangen, müssen die Bergleute heute viel mehr Gestein durchschneiden. Dabei entsteht deutlich mehr Silikastaub.» Dieser sei feiner und bis zu 20-mal toxischer als Kohlestaub und setze sich wie winzige Glassplitter in der Lunge fest.
«Es bricht mir das Herz. Besonders, wenn es Väter von Klassenkameraden meiner Kinder sind. Sie können kaum mehr mit ihren Kindern spielen. Das sind alles Männer, die es gewohnt sind, extrem hart zu arbeiten», sagt Emry. Viele gehen weiter in die Mine – aus Angst, ihre Jobs und somit auch ihre Krankenversicherung zu verlieren.
Trumps Angriff auf den Arbeitsschutz
Trump deutet diese Härte anders. «Man könnte ihnen eine Luxuswohnung in New York geben – sie wären unglücklich. Sie wollen Kohle abbauen», sagte er im April. Er unterzeichnete mehrere Dekrete zur Erleichterung des Kohleabbaus und versprach, die «guten, stolzen Leute aus den Kohlegebieten» wieder in Arbeit zu bringen.
Gleichzeitig demontierte seine Regierung ausgerechnet das, was die Arbeiter schützt: Niosh, das Institut für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Behörde ist dem US-Gesundheitsministerium unterstellt. Sie betreibt ein umfassendes, landesweites Früherkennungsprogramm für Kohlearbeiter, fährt mobile Röntgenstationen in die Abbaugebiete und beschäftigt die einzigen Radiologinnen und Radiologen, die speziell dafür ausgebildet sind, eine Staublunge zuverlässig zu erkennen.
Ihre Einstufungen entscheiden darüber, ob ein Minenarbeiter medizinische Leistungen erhält oder ohne Lohneinbussen an einen staubärmeren Arbeitsplatz versetzt wird. Oft das letzte Sicherheitsnetz. Für Ärztin Lisa Emery ist Niosh unverzichtbar: «Ohne diese Expertinnen und Experten würde das ganze System der Diagnosen und Ansprüche zusammenbrechen.»
Erfolg vor Gericht – vorerst
«Die Regierung hat einfach beschlossen, eine ganze Abteilung zu schliessen, die die Atemwegsgesundheit amerikanischer Arbeiter überwacht. Das ist illegal», stellt Arbeitsrechtsanwalt Sam Petsonk klar. Unter dem Dach des neuen Department of Government Efficiency, das Trump mit Tech-Milliardär Elon Musk aufgebaut hat, wurden im Gesundheitsministerium Hunderte Stellen gestrichen.
So auch fast alle Stellen bei Niosh. Petsonk verklagte die Trump-Regierung vor Gericht – und bekam vorerst recht. Ein Gericht verpflichtete die Regierung, zentrale Niosh-Funktionen wiederherzustellen.
Denn Niosh ist kein Programm, das Donald Trump politisch einfach anpassen kann, sondern ein gesetzlich verankerter Pfeiler des Arbeitsschutzes – den Mineure 1968 nach dem Minenunglück in Farmington erkämpften, bei dem 78 Arbeiter ums Leben kamen. Doch der Entscheid ist nur vorläufig. In welcher Kapazität und zu welchem Zeitpunkt das Programm weitergeführt wird, ist noch unklar.
Schutz auf der Warteliste
Während Sam Petsonk weiter vor Gericht gegen Trumps Kahlschlag prozessiert, kämpft Gary Hairston für eine neue Sicherheitsregel: die «Silica Rule», ausgearbeitet unter der Regierung von Joe Biden. Diese soll die gesetzlich zulässige Silicastaub-Belastung in den Minen deutlich senken.
Sie könnte laut Schätzungen der Staublungen-Epidemie ernsthaft entgegenwirken und mehr als tausend Todesfälle verhindern. Doch die Trump-Regierung verschiebt die Umsetzung der neuen Regel Monat für Monat.
«Die letzte Regierung hat erstmals eine Regel geschaffen, die Bergleute klar geschützt hätte», sagt Anwalt Petsonk. «Jetzt ist sie praktisch verschwunden. Die neue Regierung setzt sie nicht um – und scheint diesen Schutz aufgeben zu wollen.»
Er bekommt kaum Luft, aber seine Frau hat keine Versicherung, sie ist seiner Arbeitnehmerversicherung angeschlossen – also geht er weiter in die Mine.
Um dagegen zu protestieren, reiste Hairston im Oktober nach Washington. «Wir suchten Hilfe beim Arbeitsministerium und erklärten ihnen, dass das verpasste Umsetzen der Silica-Regel den jüngeren Bergleuten schadet», erklärt er.
Viele dieser jüngeren Bergleute sprechen aus Angst vor Jobverlust nicht offen über ihre Symptome. Einer komme trotzdem zu den Treffen der Black Lung Vereinigung, erzählt Hairston: «Er bekommt kaum Luft, aber seine Frau hat keine Versicherung, sie ist seiner Arbeitnehmerversicherung angeschlossen – also geht er weiter in die Mine.»
Trump verspricht, die Kohleindustrie zurückzubringen, eine Branche, die ihn unterstützt. Anders als Gewerkschafter Gary Hairston. Er sehe nichts Gutes, das Trump für die Bergleute getan habe.
Hoffnung trotz düsterer Aussichten
Die Verschiebung der «Silica Rule», die Streichung der Präventionsprogramme und die Zölle, die es schwerer machten, Kohle zu exportieren, und zur Entlassung von 700 Bergleuten geführt haben. «Das alles schadet uns auf Dauer schwer.» Viele seiner Kollegen, die Trump gewählt haben, würden das auch noch realisieren.
Für Hairstons eigene Gesundheit ist es zu spät. Doch er kämpft weiter. Für ihn steht fest, dass die nächste Generation mehr Schutz verdient, als er ihn hatte. Ganz gleich, wer im Weissen Haus sitzt.