Mit 297 Punkten, 119 mehr als der Sieger Österreich, entschied Israel das Publikumsvoting beim ESC in Basel klar für sich. Dass es dennoch «nur» für Platz 2 reichte, lag an der vergleichsweise geringen Jurywertung. Lediglich 60 Punkte bekam Yuval Raphael von den nationalen Fachjurys. Das Ergebnis bleibt jedoch ein Achtungserfolg.
Ginge es nach Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, hätte Israels Beitrag «New Day Will Rise» aber gar nicht erst zum Wettbewerb zugelassen werden dürfen – aufgrund von Israels andauernder Militäroffensive im Gazastreifen. Diese wird in vielen Ländern sehr kritisch gesehen.
Der öffentlich-rechtliche spanische TV-Sender RTVE hat nun eine Überprüfung des Publikums-Votings bei der European Broadcasting Union EBU beantragt. Der Vorwurf: Das Publikumsvoting sei durch den aktuellen Nahostkonflikt politisiert worden – und gefährde den kulturellen Charakter der Veranstaltung.
Die EBU hat inzwischen bestätigt, dass bei ihr Beschwerden wegen der auffälligen Diskrepanz zwischen Jury- und Zuschauerabstimmung eingegangen sind. Die Abstimmungsergebnisse aus allen Ländern seien jedoch korrekt angegeben worden. Man nehme die Beschwerden in Hinsicht auf die 70. Ausgabe in Österreich jedoch ernst, teilte ESC-Direktor Martin Green mit.
Schulterschluss mit Belgien
Auch der belgische Sender VRT kritisiert das Publikumsvoting. Er stellt sogar die eigene Teilnahme am ESC infrage, sollte die EBU keine klaren Antworten auf die Zweifel an der Transparenz und Fairness des Votings liefern.
Zwar gebe es keine Hinweise auf technische Unregelmässigkeiten, doch stelle sich die Frage, ob das aktuelle Abstimmungssystem die Meinungen des Publikums angemessen abbilde. Der ESC entferne sich zunehmend von seinen eigenen Werten, heisst es weiter.
Umstrittene Werbekampagne
Für weitere Irritation sorgte in den vergangenen Tagen zudem die auffällige Werbestrategie für den israelischen Beitrag: In den Halbfinal-Aufzeichnungen des ESC tauchte etwa die Sängerin Yuval Raphael in TV-Spots auf, in denen sie explizit zum Abstimmen aufrief – als einziger Act.
Recherchen des EBU-eigenen Portals Eurovision News Spotlight zufolge wurde die Kampagne von einer staatlichen israelischen Agentur orchestriert und bezahlt. Die EBU erklärte jedoch, solche Promotionen seien grundsätzlich regelkonform, solange sie nicht gegen redaktionelle Standards verstossen. Dennoch steht zumindest der Vorwurf im Raum, Israel haben sich einen unfairen Vorteil verschafft.
Bereits im Vorfeld des Finals hatten sich sowohl der spanische Sender RTVE als auch der belgische Sender VRT kritisch zur Teilnahme Israels geäussert. RTVE war nach den Halbfinals von der EBU sogar verwarnt worden, keine politischen Botschaften während der Livesendungen zu zeigen. Trotzdem zeigte der spanische Sender unmittelbar vor dem ESC-Finale erneut eine Einblendung: «Angesichts der Menschenrechte ist Schweigen keine Option. Frieden und Gerechtigkeit für Palästina.»
In Belgien wurde jeweils am Anfang und am Ende des ersten Halbfinals eine schwarz-weisse Texttafel eingeblendet, die Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg unter anderem vorwirft, Menschenrechte zu verletzen und die Pressefreiheit zu zerstören. Umso überraschender scheint es, dass Israel gerade auch in Spanien und Belgien hohe Zuschauerpunkte erhielt.