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Sautter am Arbeitstisch
Legende: Vanessa Sautter, Co-Leiterin Recherche und Archive, stellt Perlen aus dem SRF Archiv vor. SRF

Favoriten aus dem SRF Archiv Warum wir auf einem Schatz sitzen

Ein verstaubtes Archiv «unten im Keller» – davon ist das grösstenteils digitalisierte SRF Archiv weit entfernt. Immer wieder teilt SRF Archivperlen der Schweizer Radio- und TV-Geschichte via Social Media. Welche haben besonders viele Likes erhalten? Co-Leiterin Vanessa Sautter verrät es.

Die Haare stehen mir jeweils zu Berge, wenn ich Kolleginnen oder Kollegen davon sprechen höre, dass sie ins Archiv «runtergestiegen» sind. Denn unser Archiv befindet sich längst nicht mehr nur im Keller: Wir haben heute den grössten Teil unserer Archivschätze digitalisiert, um sie unserem Publikum zugänglich zu machen.

So, wie wir dies auf unseren SRF-Archiv-Kanälen auf Youtube  und Tiktok tun.

Auf Youtube und Tiktok zeigen wir einzigartige Inhalte aus früheren Radio- und TV-Zeiten. Und die Reaktionen der Userinnen und User sind eine wahre Freude!

Eines unserer meistgesehenen Videos ist zum Beispiel Traktor fahren mit 14 Jahren (1960). Faszinierend, dass ein so altes Video über neue Vorschriften im Strassenverkehr, insbesondere für das Fahren von Traktoren, so viele Menschen zum Kommentieren animiert.

Auf Youtube schlägt vor allem das Interview mit Klaus Kinski von 1985 hohe Wellen. Es wurde bereits rund 3,2 Millionen Mal aufgerufen und 2658 Mal kommentiert.

Besonders am Herzen liegt mir unsere Serie «Was wurde aus?» , wo wir auf Wunsch des Publikums Protagonistinnen und Protagonisten aus älteren Videos noch einmal besuchen, darunter die Zürcher Hells Angels (2020) oder Bierbrauerin Lotti (2021). Es ist so spannend zu sehen, was aus diesen Personen geworden ist, was sie seither gemacht haben und wie sie auf ihr jüngeres Ich zurückblicken.

Bei allen Videos ist auch ein Blick auf die Demografie-Statistik interessant: Wir erreichen Fans und interagierende Personen auf unserer Youtube-Seite im Alter von 18 bis über 65 Jahren.

Warum erreichen wir eine solche Bandbreite an Menschen, darunter auch viele Jüngere, mit altem Material? 

Vielleicht erreichen wir so viele Menschen, weil das Material uns in jeder Hinsicht zum Staunen bringt: Zum Beispiel Unterwegs mit einem Fernfahrer (1977),  ein Pfarrer, der das «Bravo» in seiner Gemeinde verbietet (1980),  UFO-Sichtung in der Schweiz (1994), Parkplatzanweiser auf Rollschuhen (1959),  Trockenkurs für Autofahrer (1964),  Kühe auf Skiern  (1985) und viele andere.

Oder vielleicht weil längere Kamera-Einstellungen mit unschlagbaren Kommentaren versehen sind, wie in einem Beitrag über  tollkühne Autofahrer  in den 1960ern: «Das macht Spass. Dieses Fahren ist abwechslungsreich. Da schläft kaum jemand ein wie auf den langweiligen Autobahnen. Und wenn schon einer einschläft, dann wacht er mit Sicherheit nicht mehr auf.»

Oder ein Beispiel aus dem «Freitagsmagazin» von 1961 über das  Wellenbad Dolder : «Jedenfalls fragt man sich da oft, warum gewisse Frauen Wert darauf legen, gut angezogen zu sein. Gut ausgezogen wäre auch eine Kunst des guten Geschmacks. Nun ja, das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach.»

So mussten wir uns auch der Frage eines Journalisten stellen, ob die sexistischen Beiträge repräsentativ für die damalige Arbeitsweise bei SRF seien. 

Und? Natürlich haben wir sie nicht gezielt aufgrund von Sexismus ausgewählt. Die Gesellschaft, das Gesellschaftsleben und die Art, wie darüber berichtet wird, haben sich über die Jahre stark verändert.

Wir möchten diese vergangenen Zeiten mit den Videos auf Youtube, Tiktok und on air wertneutral abbilden und das Archivmaterial der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Denn das alles ist ein Stück unseres gemeinsamen Schweizer Kulturguts. Deswegen haben wir diesen Punkt nun auch seit Februar 2024 in die Publizistischen Leitlinien von SRF aufgenommen.

So, und jetzt krabble ich wieder «runter ins Archiv», um die nächste Perle ans Licht zu bringen.

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