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Darf der Arzt den Eltern verschweigen, was der Tochter fehlt?
Aus Kassensturz vom 06.02.2018.
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«Darf man das?» Darf der Arzt den Eltern verschweigen, was der Tochter fehlt?

Karla bekommt die Rechnung für einen Arztbesuch ihrer 14-jährigen Tochter. Kurz entschlossen ruft Karla den Arzt an und fragt, was ihrer Tochter fehle. Doch der sagt, das sei Arztgeheimnis. Doch darf der Arzt den Eltern verschweigen, was der Tochter fehlt? Darf man das?

Ja. Ab 13 Jahren sind Kinder und Jugendliche zwar noch minderjährig. Sind sie aber urteilsfähig, und geht es um sogenannt höchst persönliche Rechte wie die Gesundheit oder das körperliche Befinden, dann dürfen sie selber entscheiden. Das bedeutet: Der Arzt darf Karla nur dann Auskunft über die Behandlung ihrer Tochter geben, wenn diese damit einverstanden ist.

Urteilsfähig ist laut Gesetz, wer aufgrund seiner geistigen Entwicklung und Gesundheit in der Lage ist, «vernünftig» zu handeln. Urteilsfähig ist, wer über Einsichtsfähigkeit verfügt, sich einen Willen bilden und danach handeln kann. Das Gesetz geht davon aus, dass auch Kinder und Jugendliche grundsätzlich urteilsfähig sind und deshalb selber entscheiden dürfen, welchen Behandlungen sie sich unterziehen wollen und wer darüber informiert werden soll.

Laut Bundesgericht sind schon 13-Jährige urteilsfähig

Viele Eltern gehen davon aus, dass sie allein über medizinische Behandlungen ihrer Kinder entscheiden dürfen. Das ist falsch, wie ein Beispiel aus der Rechtssprechung des Bundesgerichts zeigt:

Zu beurteilen war der Fall eines damals 13- jährigen Mädchens, das beim Turnunterricht gestürzt war. Die Mutter brachte ihre Tochter zu einem Osteopathen und schlug eine Manipulation am Becken vor. Während der Behandlung wehrte sich das Mädchen heftig und schrie mehrere Male «Mama, ich will nicht!». Dennoch wies die Mutter den Therapeuten an, die Behandlung fortzusetzen.

Dies hatte für den Osteopathen ein Nachspiel. Der Gesundheitsrat des betreffenden Kantons verhängte eine Disziplinarstrafe, die später vom Bundesgericht bestätigt wurde. Das Bundesgericht hielt fest, dass auch eine 13-jährige Patientin im Hinblick auf einen medizinischen Eingriff urteilsfähig sein könne und eine Weigerung des Kindes vom Therapeuten oder Arzt zu respektieren sei.

Eltern müssen die Selbstbestimmung ihrer Kinder respektieren

Allerdings bedeutet dieses Urteil nicht, dass Kinder und Jugendliche generell ab 13 Jahren in Bezug auf alle medizinischen Behandlungen urteilsfähig sind. Wann genau ein minderjähriger Patient urteilsfähig ist, hängt von seiner individuellen Reife, von der Schwierigkeit der Behandlung, ihrer Risiken und der Tragweite der Situation ab. Im Streitfall müsste dies von einem Gericht beurteilt werden.

Für Eltern und Ärzte heisst das, dass sie Kinder und Jugendliche bei Behandlungsentscheiden einbeziehen und ihre Selbstbestimmung respektieren müssen. Als Faustregel gilt:

  • Bei Kindern und Jugendlichen über 12 Jahren ist die Urteilsfähigkeit in Bezug auf einfache Behandlungen und Eingriffe in der Regel anzunehmen.
  • Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren gelten auch bei komplizierteren Behandlungen und Eingriffen in der Regel als urteilsfähig.
  • Ab 16 Jahren gelten Jugendliche als urteilsfähig.

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