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Kreislaufwirtschaft Wenn aus Abbruch-Holz neue Möbel entstehen

Ein kleines Team in Winterthur will die Baubranche zum Umdenken anregen. Die Vision: Bauen und Sanieren mit Bestehendem.

Diese Schreinerei ist nicht wie jede andere: Statt frisches, neues Holz wird hier nur Altholz verarbeitet. Holz, das beispielsweise bei Abbruch-Projekten vor der Mulde gerettet wurde. Wie etwa der Velounterstand aus Lärchenholz eines Pflegezentrums in Baden. Dieser wurde abgerissen und das Holz wäre im Abfall gelandet. Nun entsteht daraus in Winterthur eine neue Pergola.

Ausgezeichnete Idee

«Wiederverwerkle» heisst das Projekt, das 2015 aus einer Idee während des Studiums von Michael Wick entstanden ist. Ursprünglich habe er einen Baumarkt im Kopf gehabt, bei welchem es nur gebrauchte Waren gibt, erzählt Wick. «Dann habe ich realisiert, dass es so etwas in Form von Bauteilbörsen schon gibt.» So entschied er sich, das Ganze nur mit dem Rohstoff Holz umzusetzen. Prompt erreichte seine Idee den zweiten Platz bei einem Winterthurer Klimawettbewerb. Es folgte die Gründung eines Vereins und die Suche nach Leuten, die mitmachen und die Idee unterstützen. 

Denn ohne Partner geht es nicht. Unter anderem dank Architekten und Bauplanern, die sich auf Kreislaufwirtschaft spezialisiert haben, erfährt «Wiederverwerkle» von Abbruch-Projekten. «Die rufen dann an und sagen, wir sollen am nächsten Tag vorbei kommen – sonst hole sich der Bagger das Holz.»

Zum Selbermachen motivieren

Zur Schreinerei gehört auch ein Laden, wo Abbruch-Holz zu Kilopreisen verkauft wird. «Bei gewöhnlichen Tannenbrettern sind wir bei einem Franken pro Kilo», sagt Schreiner Tobias Metzger. Je nach Holzart kann der Preis etwas höher sein. Und wenn das Holz bearbeitet werden muss, wird der Aufwand verrechnet – etwa für das Bürsten, Schleifen oder Zuschneiden.

Die Idee ist, dass Leute, die ein neues Möbel benötigen, nicht einfach ins nächste Möbelgeschäft gehen, sondern zuerst einen Abstecher zu ihnen machen. Und nein: Auch bei «Wiederverwerkle» müsse man nicht ohne Anleitung zurechtkommen, sagt Tobias Metzger, Schreiner bei «Wiederverwerkle». Man könne individuell auf die handwerklichen Kenntnisse der Kundinnen und Kunden eingehen: Vom blossen Zuschnitt bis hin zu einer konkreten Anleitung sei alles möglich. Auch Auftragsarbeiten werden ausgeführt. «Grundsätzlich möchten wir die Leute aber motivieren, möglichst viel selbst zu machen – gerne zeigen wir auch, wie’s geht und verleihen entsprechendes Werkzeug und Maschinen.»

Grosse Vision

Sowohl Michael Wick wie auch Tobias Metzger sind von der Kreislaufwirtschaft überzeugt. Auch wenn sie derzeit noch eine Herausforderung für alle Beteiligten sei: Sie verlangt Flexibilität bei kurzfristigen Abbruch-Arbeiten und es braucht Lager-Kapazitäten auch für unerwartet grosse Mengen an Altholz. «Wenn man das für die Zukunft weiterdenken will, sind das entscheidende Punkte», so Tobias Metzger. 

Es brauche aber insbesondere ein Umdenken sowohl bei Bauherrschaften, wie auch bei Architekturbüros und Bauplanern: «Bei jedem Bauprojekt sollte zuerst geprüft werden, was vorhanden ist und was wieder verwendet werden kann.» Dass dazu noch viel Überzeugungsarbeit notwendig ist, weiss Michael Wick: «Aber wir leben letztendlich auf einem begrenzten Planeten und sollten möglichst schonend mit unseren Ressourcen umgehen.» Und Tobias Metzger ergänzt: «Man muss sich bewusst sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man es sich einfach leisten kann, so viele Sachen wegzuwerfen.» In ärmeren Ländern stelle sich diese Frage schon gar nicht.

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