Statt 15 Franken stehen auf der Restaurant-Rechnung 16.50 Franken – zehn Prozent Trinkgeld werden standardmässig dem Schlussbetrag hinzugefügt. Wer das Trinkgeld nicht zahlen möchte, muss es aktiv abwählen. So handhabt es der Gastrobetrieb Familie Wiesner Gastronomie AG in den meisten ihrer rund 35 Restaurants in grösseren Städten.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass, wenn eine Zahl aufgeführt ist, die Gäste innehalten im Zahlungsprozess.
Mit dieser Praxis sind manche Gäste nicht einverstanden und melden sich bei «Espresso». Es gehe ihnen dabei nicht um eine Verweigerung des Trinkgelds, sie möchten jedoch selbst entscheiden, wie viel sie geben wollen.
Das Restaurant programmiert das Zahlterminal
Daniel Wiesner vom Unternehmen Familie Wiesner Gastronomie AG erklärt, wegen der Bezahlung per App oder Kreditkarte gehe das Trinkgeld oft vergessen und das möchte man vermeiden. In ihren Betrieben habe man die Zahlterminals mit zehn Prozent Trinkgeld programmiert, weil man denke, dass es so für die Gäste am einfachsten sei. Das Trinkgeld gehe ausserdem vollumfänglich an das Servicepersonal.
«Wir haben die Erfahrung gemacht, dass, wenn eine Zahl aufgeführt ist – in unserem Fall zehn Prozent –, sich die Gäste viel mehr achten und innehalten im Zahlungsprozess.» Man könne aber auch weniger, mehr oder gar kein Trinkgeld geben. Der Kein-Trinkgeld-Button sei gross auf dem Zahlterminal zu sehen.
Andere Restaurants programmieren ihre Geräte so, dass man den Schlussbetrag sieht und zusätzlich auf einen Fünf-, Zehn- oder 15-Prozent-Button für das Trinkgeld drücken kann, wenn man dies will. Allerdings ist der Kein-Trinkgeld-Button bei dieser Methode weiter unten und weniger gut sichtbar.
Gastrosuisse gegen Standard-Trinkgeld
Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer gefällt die Praxis der Familie Wiesner Gastronomie AG nicht. «Trinkgeld ist eine freiwillige, aber wichtige Geste. Dass man dies aber schon vorprogrammiert und ein Gast es proaktiv ablehnen muss, wenn er oder sie nichts geben möchte, ist nicht das richtige Vorgehen.» Schlussendlich müsse jeder Betrieb selbst entscheiden, wie und ob man eine Trinkgeldpraxis umsetze. Die zweite Möglichkeit, das Trinkgeld auf dem Zahlterminal hinzuzufügen, finde er aber eine gute Idee.
Die negativen Rückmeldungen hielten sich in Grenzen, so Daniel Wiesner, die Kritik nehme man aber ernst: «Falls die breite Meinung ist, dass wir eher einen Button zum Auswählen programmieren sollen, dann werden wir dies bei uns auch in Betracht ziehen und anpassen.»
Fast alle Restaurants bald bargeldlos
Die Familie Wiesner Gastronomie AG stellt ab Herbst 2023 in fast allen ihrer 35 Betriebe auf digitale Bezahlung um. Die Bargeldzahlung in ihren Betrieben machten nur noch fünf Prozent aller Zahlungsmittel aus – Tendenz sinkend –, und die damit verbundenen Kosten von 50’000 Franken pro Monat seien sehr hoch. Ausserdem würden mit dieser Anpassung verschiedene Prozesse vereinfacht, sagt Daniel Wiesner gegenüber «Espresso» und bestätigt damit einen Bericht des «Blick».