«Das Schweizer Gewährleistungsrecht beim Kauf zeigt sich heute als in verschiedener Hinsicht veraltet.» Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem Bericht, den das Parlament verlangt hat. Der Bundesrat sieht in verschiedenen Punkten Handlungsbedarf. Das Schweizer Recht solle ans EU-Recht angeglichen werden. «Damit würde die Position von Konsumentinnen und Konsumentengestärkt, welche heute auf die Kulanz der Verkäuferinnen und Verkäufer angewiesen sind», meint der Bundesrat. Er zählt sechs spezifische Punkte auf. Wir umschreiben sie kurz:
- In der Schweiz verweigern Verkäufer teilweise Garantieleistungen mit der Begründung, der Schaden am Produkt sei von der Kundin selbstverschuldet. Diese muss dann das Gegenteilbeweisen. In der EU liegt die Beweislast im ersten Jahr nach dem Kauf beim Verkäufer.
- In der Schweiz bleiben nach dem Kauf nur wenige Tage für eine Mängelrüge. In der EU sind es mindestens zwei Monate.
- In der Schweiz sind die gesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung nicht zwingend. Verkäufer können diese in eigenen Garantiebestimmungen und AGB anpassen oder sogar wegbedingen – zu Ungunsten der Konsumentinnen und Konsumenten.
- Im Schweizer Recht sind bei Mängeln Ersatz, Erstattung oder Preisminderung vorgesehen. Ein Recht auf Reparatur gibt es nicht. In der Praxis wird einem in den Garantiebestimmungen oft die Reparatur aufgezwungen. Das kann bei langen Wartezeiten oder wiederholten Mängeln störend sein.
- Bei digitalen Produkten schreibt die EU beispielsweise vor, wie lange Updates und Aktualisierungen garantiert sein müssen. In der Schweiz ist das noch nicht geregelt.
- Die EU ist strenger, wenn es darum geht, was ein Hersteller zu seinem Produkt verspricht, auch in der Werbung.
Abschliessend schreibt der Bundesrat: «Angesichts ihrer Tragweite bedarf eine Reform des Gewährleistungsrechts im Sinne des erkannten Handlungsbedarfs nunmehr einer politischen Grundsatzentscheidung durch das Parlament.» Eine deutliche Ansage.
Angesichts ihrer Tragweite bedarf eine Reform des Gewährleistungsrechts im Sinne des erkannten Handlungsbedarfs nunmehr einer politischen Grundsatzentscheidung durch das Parlament.
Konsumentenschutz: «Ein wichtiger Schritt»
Von einem Sieg für die Konsumentinnen und Konsumenten will Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, noch nicht sprechen. Es sei aber ein erster ganz wichtiger Schritt, sagt sie im Interview mit «Espresso»: «Der Weg, bis man von einem Sieg reden kann, dürfte vermutlich noch lange sein.»
Bis Verbesserungen tatsächlich bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen, könne es zwei bis vier Jahre dauern. Es komme darauf an, was das Parlament nun mache und ob es sich allenfalls quer stelle. Denn der Bundesrat hat mit dem Bericht zur Gewährleistung seinen Auftrag erledigt. Das Parlament ist nicht verpflichtet, die Vorschläge der Regierung aufzugreifen.
«Der Bundesrat gibt den Ball dem Parlament weiter», sagt Stalder. Automatisch werde nichts passieren. Das Parlament müsste nun handeln. «Das kann in einer vorberatenden Kommission geschehen. Das könnten aber auch einzelne Parlamentarierinnen und Parlamentarier machen.» Der Konsumentenschutz werde auf Parlamentariern und Parlamentarierinnen zugehen.
Die Erwartung von Sara Stalder: «Das Parlament soll jetzt ein Tor schiessen. Das heisst, diesen Gesetzestext beraten, so wie es der Bundesrat hat vorgegeben hat.» Dies bringe eine wirkliche Verbesserung für die Konsumentinnen und Konsumenten.