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Kniff der Fluggesellschaften Keine Entschädigung bei Verspätung statt Annullation

So umgehen die Fluggesellschaften Ersatzzahlungen: Aus einem gestrichenen Flug wird einfach eine Verspätung.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Als Konsumentin oder Konsument hat man in der Schweiz kaum Chancen auf Schadenersatz, wenn ein Flug erst mit grosser Verspätung abheben kann.

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Im März 2024 berichtete das Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 über eine Familie, deren Flug kurzfristig abgesagt wurde – «annulliert», wie die Fluggesellschaft zunächst mitteilte.

Diese vermeintliche Annullation hatte drastische Auswirkungen: Ein ganzer Ferientag ging verloren, die neue Flugroute wurde mit einem zusätzlichen Zwischenstopp samt Umsteigen umständlicher, es wurde sogar eine zusätzliche Impfung nötig. Und als wäre das nicht genug, ging auch noch das Gepäck verloren.

Zurück in der Schweiz hat die Familie bei der Fluggesellschaft für Schadenersatz gekämpft – vergeblich. Die Familie meldet sich schliesslich bei «Espresso» – und aus der anfänglich kommunizierten «Annullation» wird plötzliche eine «Verspätung». Dazu muss man wissen: Bei Verspätungen ist die Gesetzlage in der Schweiz unklar. Es gibt daher keinen Schadenersatz.

Das gilt bei Annullationen: Die Schweiz hat im Jahr 2006 die EU-Regelung über die Fluggastrechte übernommen. Darin ist klar geregelt: Wird ein Flug annulliert, haben die Passagiere Anspruch auf eine Entschädigung, sofern kein aussergewöhnlicher Umstand vorliegt. Dazu gehören beispielsweise Vogelschlag, Terrorgefahr oder auch ein medizinischer Notfall. Bei Langstreckenflügen beträgt der Schadenersatz 600 Euro pro Passagier.

Das ist die Sachlage bei Verspätungen: Anders bei Verspätungen. Dort sieht die Fluggastrechteverordnung keinen Schadenersatz vor. Allerdings: Laut Urteilen des Europäischen Gerichtshofs sind grosse Verspätungen in Bezug auf die Schadenersatzzahlungen gleichzubehandeln wie Annullationen. Damit sind Passagiere in der EU klar bessergestellt, als in der Schweiz. Hier gibt es weder eine gesetzliche Grundlage noch ein Bundesgerichtsurteil dazu. Es herrscht rechtliche Unsicherheit. Heisst: Das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL kann die Airlines im Falle einer grossen Verspätung nicht zu einer Schadenersatzzahlung verpflichten.

Wer klopft den Airlines auf die Finger? Zentral scheint eine Frage: Wer definiert, ob ein Flug annulliert wurde oder verspätet war? Kommt ein Passagier mit seiner Forderung nach Schadenersatz bei der Airline nicht weiter, ist das BAZL die nächste Anlaufstelle. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt ist die Durchsetzungsstelle für die Fluggastrechte in der Schweiz.

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Reicht ein Passagier eine Anzeige beim BAZL ein, muss dieses den Fall überprüfen. Es kontrolliert, ob es sich tatsächlich um eine Verspätung gehandelt hat. Allerdings: Die Entscheidungshoheit liegt bei der Airline. Dabei gibt es schon Kriterien zur Überprüfung, ob eine Verspätung wirklich eine Verspätung sei. Aber grundsätzlich entscheidet die Airline, ob ein Flug annulliert wurde oder lediglich verspätet weiterfliegen konnte.

Fazit: Zugespitzt gesagt, mit einem einfachen Kniff – der Deklaration als Verspätung – kommen die Airlines ohne Schadenersatzzahlungen durch. Um dies zu ändern, bräuchte es eine gesetzliche Grundlage. Eigentlich sollte die EU-Regelung über die Fluggastrechte längst überarbeitet sein. Es stockt aber seit Jahren. Eine andere Möglichkeit, Klarheit zu schaffen in Bezug auf Verspätungen, wäre ein Bundesgerichtsurteil. Dies versuchen die Airlines tunlichst zu verhindern. Heisst konkret: Bevor es zu einem rechtskräftigen Urteil kommt, zahlen die Fluggesellschaften lieber einen Schadenersatz.

 

Espresso, 18.04.24, 08:10 Uhr

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