Ein neues Phänomen erobert den Schweizer Markt: «Fast Deko». Ähnlich der Fast Fashion setzt dieser Trend auf ein riesiges, günstiges und ständig wechselndes Angebot an Wohnaccessoires. Geschäfte nutzen zur Inszenierung und Bewerbung ihrer neuen Kollektionen auch gezielt Influencerinnen, die ihre Deko «so oft wechseln wie die Jahreszeiten», oder die «Abwechslung» fordern.
Hohe Margen locken neue Player an
Der Schweizer Möbelmarkt ist mit über fünf Milliarden Franken Umsatz pro Jahr attraktiv. Das lockt auch grosse Namen der Fast Fashion wie Zara und H&M an, die ins Dekorationsgeschäft eingestiegen sind. Mateo Kries vom Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D) erklärt: «Die Marge eines Dekorationsartikels ist prozentual viel grösser als bei einem Möbelstück. Man muss nur das Verlangen wecken, nicht die Notwendigkeit.» Das unterscheide einen Dekorationsartikel von einem Möbelstück.
Traditionelle Anbieter wie Ikea spüren den Druck. Während der Möbelverkauf stagniert, boomen Accessoires. Ikea setzt auf ihr bekanntes System: Deko-Artikel tauchen im ganzen Laden immer wieder auf. Valéry Bezençon, Professor für Marketing an der Universität Neuenburg, analysiert die Strategie: «Vorgegebene Wege führen Konsumenten an Objekten vorbei, die sie nicht kaufen wollen. Diese haben oft hohe Margen.» Und am Ende kaufen die Konsumierenden trotzdem.
Søstrene Grene: Inszenierung als Erfolgsrezept
Ein Musterbeispiel für den Deko-Trend ist das dänische Unternehmen Søstrene Grene. Miteigentümer Cresten Grene beschreibt das Verkaufskonzept: eine theatralische Inszenierung mit Scheinwerfern, anfassbaren Produkten und klassischer Musik. Letztere, so Marketingprofessor Bezençon, entspannt und erhöht die Kaufbereitschaft für höhere Preise. Søstrene Grene verzeichnete 2024 ein Umsatzplus von 22 Prozent.
Doch der «Fast Deco»-Trend hat eine dunkle Kehrseite. Valérie de Roguin, Direktorin von Zero Waste Switzerland, kritisiert: «Möbel und Deko sollten ein Leben lang halten.» Das Marketing erwecke den Eindruck, die gesamte Deko müsse ständig geändert werden. Die Produkte werden hauptsächlich in Asien hergestellt. Mikkel Grene bestätigt: «Um attraktive Preise zu gewährleisten, kaufen wir grosse Mengen ein. Ein Grossteil der Produktion in Europa wurde eingestellt.»
Die Schattenseiten: Umwelt und Arbeitsbedingungen
Die Folgen für die Umwelt sind gravierend. Romain Deveze vom WWF Schweiz warnt vor der ungezügelten Ausbeutung von Holz. Die Industrie setze auf schnell wachsende Monokulturen, die eine geringe Biodiversität aufweisen würde und oft mit schlecht bezahlten Arbeitskräften verbunden seien.
Umwelt-Labels wie FSC sollen helfen, sind aber keine hundertprozentige Sicherheit. Die Schweiz schreibt seit 2012 die Angabe von Holzart und Herkunftsland bei bestimmten Massivholzartikeln vor. Eine Stichprobe von «A bon Entendeur» zeigt jedoch: Bei 20 getesteten Geschäften fanden sich in rund einem Viertel der Fälle Bilderrahmen, bei denen diese Angaben fehlten. Darunter Artikel von Micasa, Gifi, Cachet, Temu und Galaxus. Alle kontaktierten Unternehmen haben die Mängel anerkannt und sich zur Behebung verpflichtet.
Trotz aller Labels und Versprechen bleiben die schwerwiegenden Folgen für die Umwelt kaum zu vermeiden, wenn Deko-Artikel zur schnellen Wegwerf-Ware werden.