Als Nico M. aus Münchenstein im September sein teures Carbon-Rennvelo aus dem Veloraum holen will, staunt er nicht schlecht. Das Bike ist verschwunden. Von einer Nachbarin erfährt er, dass auch ihr Velo und solche anderen Mieter im Auftrag der Verwaltung «entsorgt» wurden.
Die Verwaltung bestätigt ihm den Sachverhalt. Man habe die Mieterschaft zuvor in einem Schreiben informiert. Velos im Veloraum müssten beschriftet sein, ansonsten würden sie entsorgt.
Sehr knappe Frist
Das Vorgehen der Verwaltung schockiert ihn. Zumal er von so einem Schreiben nichts weiss. Zudem: «Eine Frist von nicht mal zehn Tagen ist völlig inakzeptabel. Man kann ja auch mal in den Ferien sein.»
Sein Carbon-Bike hat inklusiv Zubehör vor sieben Jahren gut 4000 Franken gekostet. Er verlangt von der Verwaltung eine entsprechende Entschädigung. Doch die Adimmo AG, eine Tochter der Basellandschaftlichen Pensionskasse, will ihm nur den angeblichen «Zeitwert» erstatten, also ein paar Hundert Franken. Bedingung: Nico M. soll Beweise liefern, dass sein Velo tatsächlich im Velokeller war: Ein Foto des Bikes im Velokeller.
Verwaltung verlangt «Beweisfotos» aus dem Velokeller
Ein solches Beweisfoto sollte auch Nachbarin Sabine Z. liefern. Ihr ging das Beschriften ihres Velos schlicht unter. Dass sie nun plötzlich in der Beweispflicht liegt, versteht sie nicht: «Wer fotografiert schon sein Velo im Veloraum?».
Das musste ich mir mühsam zusammensparen.
Sabine Z. interveniert bei der Adimmo AG. Diese bietet ihr schliesslich einen Gutschein von 50 Franken an. Das Occasions-Velo, dass sie zwischenzeitlich für die Arbeit kaufen musste, kostete 400 Franken. «Das musste ich mir mühsam zusammensparen».
Bei Nico M. bietet die Adimmo nach langem Hin- und Her 1750 Franken Entschädigung an. Doch damit kann er sich kein gleichwertiges Bike kaufen. «Meine Schmerzgrenze liegt bei 2500 Franken.»
Rechtsexperten: Vorgehen der Verwaltung geht so nicht
Das Vorgehen der Adimmo sei nicht rechtens, sagt Jonathan Marston. Der Vertrauensanwalt des Mieterinnenverbandes BL betont gegenüber «Kassensturz»: «Man darf aus der Tatsache, dass die Velos innerhalb der Frist nicht angeschrieben wurden nicht schliessen, dass die Velobesitzer auf Ihr Eigentum verzichten wollen.» Dazu hätten die Besitzer eindeutig einwilligen müssen. Ausserdem hätten die entfernten Fahrräder zwischengelagert werden müssen, damit betroffene Mieter diese zurückfordern können.
Eine Einschätzung, die auch Thomas Oberle teilt, Jurist beim Hauseigentümerverband HEV: «Es macht Sinn (alte Rostlauben ausgenommen) wertvollere Fahrräder nicht gleich zu entsorgen, sondern diese während einer gewissen Zeit zu lagern.»
Verwaltung sieht keine Fehler
Sowohl bei der Frist wie auch der Entsorgung sieht die Adimmo-Verwaltung keine Fehler: «Wir halten fest, dass unser Vorgehen aus unserer Sicht sachgerecht und auch rechtlich korrekt war. Keine Mieterschaft hat uns mitgeteilt, dass sie mit dem schriftlich angezeigten Vorgehen nicht einverstanden gewesen wäre. Somit hat auch keine Veranlassung bestanden, vom im Voraus bekanntgegebenen Vorgehen abzuweichen.»
Die Verwaltung hat in der Zwischenzeit aber wohl doch gemerkt, dass ihr Vorgehen nicht besonders adäquat war. Nach der Anfrage von «Kassensturz» hat sie den betroffenen Mieterinnen und Mietern eine deutlich höhere Entschädigung zugesagt.