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Wie bitte? Hörgeräte in der Schweiz bis zu dreimal teurer als im Ausland

Der Kauf oder Ersatz eines Hörgerätes kostet in der Schweiz rasch ein paar tausend Franken, mit Anpassung und Service.

In der Herstellung kostet ein Hörgerät bloss ein paar hundert Franken. Preisüberwacher Stefan Meierhans hielt bereits 2020 in einem Bericht fest, dass Komponenten wie Mikrofon, Lautsprecher und so weiter gerade mal zwischen 70 und 140 Euro kosten.

Im Verkauf kosten Hörgeräte in der Schweiz aber oft mehrere tausend Franken – deutlich mehr als im Ausland. Der Preisüberwacher kritisiert im Interview mit «Kassensturz»: «Der Preisunterschied zum Ausland kann aktuell bis Faktor zwei oder drei ausmachen, je nach Modell.»

Gefährliche Nebenwirkung der hohen Preise

Der Verband «Pro Audito Schweiz» hat berechnet, dass pro Jahr etwa 10‘000 Menschen auf ein Hörgerät verzichten, weil sie es sich nicht leisten können.

Das sei sehr problematisch: «Man geht davon aus, dass unversorgter Hörverlust zu einem höheren Risiko für Folgeerkrankungen führt, wie Depression oder Demenz», so Heike Zimmermann, Co-Geschäftsleiterin von Pro Audito. Die Behandlung dieser Krankheiten koste viel Geld.

Staatliche Unterstützung reicht nicht aus

Wer ein Hörgerät braucht, erhält finanzielle Unterstützung vom Staat. Vor der Pensionierung bezahlt die IV alle sechs Jahre 1650 Franken für zwei Hörgeräte. Voraussetzung: der Hörverlust beträgt mindestens 20 Prozent. Nach der Pensionierung bezahlt die AHV alle fünf Jahre 1237.50 Franken, bei einem Hörverlust von mindestens 35 Prozent.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Diese finanzielle Unterstützung war früher deutlich höher. Mit der Senkung wollte das Parlament 2011 den Wettbewerb auf dem Hörgerätemarkt ankurbeln. Die aktuelle Situation zeigt aber: Das Preisniveau ist nicht gesunken. Betroffene müssen deshalb oft einen Grossteil der Kosten selbst bezahlen oder sie verzichten gar auf einen Kauf einer Hörhilfe.

Markant tiefere Hörgerätpreise in Dänemark

Wenn der Markt nicht funktioniert, könnte der Staat etwas nachhelfen, meint Preisüberwacher Stefan Meierhans. Dänemark zum Beispiel schreibe die Beschaffung von gewissen Hörgerätetypen öffentlich aus. Das führe zu markant tieferen Preisen: Günstige Modelle seien unter 200 Franken erhältlich.

Stellungnahme der Branche

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«Kassensturz» hat die beiden Verbände der Schweizer Hörakustikbranche mit den vergleichsweise hohen Verkaufspreisen konfrontiert.

Der Verband Hörsystemakustik Schweiz schreibt (Auszug): «Die Preise beziehen sich immer einerseits auf die Hörsysteme und andererseits auf die dazugehörenden Dienstleistungen. Dies garantiert im Unterschied zu den meisten umliegenden Ländern eine maximale Transparenz zwischen Hardware und Dienstleistung. Die in der Schweiz viel höheren Löhne und Mieten beeinflussen die Kalkulation der Preise der schweizerischen Hörsystemakustiker zwangsläufig sehr stark. Aus unserer Sicht sind die Möglichkeiten für einen starken Wettbewerb klar gegeben.»

Der Schweizer Fachverband der Hörgeräteakustik schreibt (Auszug): «Dass Hörsysteme im Ausland günstiger sein sollen, können wir so nicht bestätigen. Wenn Hörsysteme über Fachgeschäfte in der Schweiz vertrieben werden, ist dies sehr dienstleistungsintensiv. Wir betreuen unsere Kunden im Schnitt ca. 18 Stunden, über einen Versorgungszeitraum von 6 Jahren. Der Service ist die Grundlage dafür, dass Hörsystemträger in der Schweiz überdurchschnittlich zufrieden mit ihren Hörsystemen sind. Wir haben einen sehr starken Wettbewerb und speziell die kleinen KMU haben Probleme bei dem Preisdruck zum Beispiel durch Auslandseinkäufe und Onlinehandel mitzuhalten und zu überleben.»

Zudem betont «Akustika» dass die Mieten für Ladenlokale an guter Lage mit Parkmöglichkeiten häufig mehrere tausend Franken betrügen und dass die Löhne in der Schweiz höher seien: Ein Hörsystemakustiker mit Erfahrung verdiene in der Schweiz 4800 bis 6200 Franken, in Deutschland hingegen 2600 bis 3200 Euro.

Das gleiche Prinzip könnte auch in der Schweiz die Preise senken: «Die zentrale Beschaffung für einzelne Modelle ist überlegenswert. So bekommen auch Leute mit kleinem Portemonnaie Zugang zu einer qualitativ guten Hörgeräteversorgung», sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans.

Tipps für den Hörgeräte-Kauf

  • Mehrere Offerten einholen, Preis und Leistung vergleichen
  • Probetragen
  • Günstige Basismodelle bieten zweckmässige Hörsystemversorgung ohne Zusatzkosten. Gemäss einer Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen sind 57 Prozent der Kunden sehr zufrieden mit solchen Modellen.
  • IV / AHV bezahlen ihre Beträge auch bei Hörgeräte-Kauf im Ausland

Radio SRF 1, Espresso, 27.5.2025, 8:10 Uhr

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