«Letztes Jahr hat mein Lebenspartner wegen guter Leistungen eine Gratifikation erhalten», schreibt Urs Kobler. Er fragt sich, wie es in diesem Jahr aussehe. «Kann mein Lebenspartner auch in diesem Jahr mit der Grati rechnen? Gilt hier eine Art Gewohnheitsrecht?», fragt er «Espresso».
Die Rechtsexpertin Doris Slongo weiss die Antwort: Es gibt ein Gewohnheitsrecht beim Lohn: Zahlt ein Arbeitgeber mindestens drei Jahre lang am Jahresende eine Gratifikation oder eine Erfolgsbeteiligung aus, ohne dass er ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, so hat man als Angestellter auch künftig Anspruch auf diesen Zustupf.
Bedingungen sind zulässig
Eine Gratifikation ist grundsätzlich eine freiwillige Leistung. Einen gesetzlichen Anspruch darauf gibt es nicht. Angestellte bekommen also nur dann eine «Grati», wenn dies im Arbeitsvertrag oder in einem Gesamtarbeitsvertrag so festgehalten ist.
Der Arbeitgeber darf die Auszahlung einer Gratifikation und vor allem ihre Höhe von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen: An das Erreichen eines Betriebsresultates zum Beispiel, an gute Leistungen des Mitarbeiters oder an ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis.
Andere Regeln beim 13. Monatslohn
Ohne solche Voraussetzungen im Vertrag haben Angestellte nach einer Kündigung beim Austritt aus der Firma nur dann einen anteilmässigen Anspruch auf ihre Gratifikation, wenn dies im Betrieb so üblich oder im Vertrag ausdrücklich festgehalten ist.
Im Betrieb von Urs Koblers Lebenspartner wird die Gratifikation laut Vertrag nur dann ausgerichtet, wenn der Arbeitnehmer am Stichtag 30. April in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Glück also für den Partner unseres Hörers: An diesem Stichtag war sein Arbeitsverhältnis nicht gekündigt. Er wird seine Grati bekommen.
Beim 13. Monatslohn gelten übrigens andere Regeln: Der «Dreizehnte» ist ein fester Lohnbestandteil und darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden. Beim Austritt muss der Arbeitgeber den 13. Monatslohn anteilmässig auszahlen.