Mit dieser Sorge ist ein «Espresso»-Hörer aus dem Kanton St. Gallen wohl nicht allein: Ende Jahr steht das Weihnachtessen im Betrieb an. «Letztes Jahr ist es bei uns ausgeartet», schreibt der Mann. «Alle haben gebechert, am Schluss wurde ich angepöbelt und ausgelacht.»
Verständlich, liegt ihm der anstehende Anlass buchstäblich auf dem Magen. Am liebsten würde er dieses Jahr gar nicht hingehen. Doch laut der Chefin sei die Teilnahme Pflicht. «Kann man mich wirklich zwingen, an einem Weihnachtsessen teilzunehmen?», möchte der Mann aus St. Gallen von «Espresso» wissen.
Am Abend gilt keine Teilnahmepflicht
Rechtlich betrachtet ist das Weihnachtessen rasch erklärt: Findet es ausserhalb der Arbeitszeit statt, gibt es für Angestellte aus arbeitsrechtlicher Sicht keine Teilnahmepflicht. Wer hingeht, tut das mehr «freiwillig» und kann deshalb weder Überstunden aufschreiben noch zusätzliche Wegspesen verlangen.
Anders, wenn eine Weihnachtsfeier während der Arbeitszeit stattfindet. Dann kann die Betriebsleitung auf einer Teilnahme bestehen. Findet der Anlass nicht im Betrieb statt, so haben die Angestellten Anspruch auf die Wegspesen und können die für die Anreise zusätzlich nötige Zeit als Arbeitsweg aufschreiben.
Heftiger Flirt? Gibt's nicht!
Ob die Teilnahme nun freiwillig ist oder nicht: Auch beim Weihnachtsessen gelten bestimmte Regeln. Das gilt vor allem für Vorgesetzte: Wie im Arbeitsalltag haben sie gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht. Hier die für ein Weihnachtsessen wichtigsten Punkte:
- Der Arbeitgeber muss seine Angestellten vor sexueller Belästigung schützen. Er darf zum Beispiel nicht tatenlos mit ansehen, wie sich die Mitarbeiterin vom Kundendienst permanent gegen die Anmache ihres angeheiterten Kollegen von der Marketingabteilung wehren muss.
- Der Arbeitgeber muss die Gesundheit seiner Angestellten schützen. Entsprechend muss er die Feier planen und gestalten, dass keine Gefahren drohen. Das gilt vor allem bei Anlässen im Freien, zum Beispiel mit Feuer. Und natürlich muss die Feier an einem rauchfreien Ort stattfinden.
- Respektieren muss der Arbeitgeber schliesslich die Religionsfreiheit. Er darf niemanden dazu drängen oder zwingen, Alkohol zu trinken oder Speisen zu verzehren, wenn dies die Religion des Betroffenen nicht zulässt. Ist am Arbeitsplatz das Tragen von religiöser Kleidung verboten oder aus bestimmten Gründen nur eingeschränkt erlaubt, so gelten diese Regeln am Weihnachtsessen nur dann, wenn diese Gründe auch dort vorliegen. Das wird in den meisten Fällen nicht so sein.
- Schliesslich kann sich der Arbeitgeber Schwierigkeiten einhandeln, wenn seine Angestellten über den Durst trinken und dann mit dem Auto den Heimweg antreten. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht müsste er sie davon abhalten, es drohen ihm unter Umstände strafrechtliche Konsequenzen.
Der «Espresso»-Hörer könnte sich aus rechtlicher Sicht vor dem ungeliebten Anlass drücken, wenn der ausserhalb der Arbeitszeit stattfindet. Ob er sich damit einen Gefallen tut, ist eine andere Frage.
Wer bei solchen Anlässen ohne nachvollziehbaren Grund kneift, drückt nicht nur mangelndes Interesse am Unternehmen und den Kolleginnen und Kollegen, sondern auch mangelnde Wertschätzung aus. Beides wird sich kaum positiv auf die Stimmung auswirken.